Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Hélène Swarth (1859-1941)

niederländische Dichterin



An der Amstel

Die Läufer gleiten übers glatte Feld
Wie über Schnee ein breiter Dohlenflug,
Am Wasser hin zeichnet der Bäume Zug
Schwarz Arabeskenwerk aufs lila Zelt.

Die Amstel wandre ich entlang; mich trug
Selten so leicht mein Fuß, so froh geschwellt.
Was heute mich so ansieht alle Welt?
Um sein Geheimnis bangt mein Herz mit Fug.

O Flammen, schlagt aus meinem Angesicht
In Rosenglut, aus meinen Augen mir
In blauen Funken! Länger berg ich's nicht.

Mein Atem weckt mir einen Lenz ringsum,
Mein Schritt verrät mich, bleibt mein Mund auch stumm,
Nun all mein Sein nicht "Ich" mehr sagt, nein "Wir".

Aus: Helene Swarth Sonette
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXIV (1914) (S. 5)

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Liebe

I.
Ich schritt auf mond- und sonnenlosem Pfad
Längs einer Felswand hin; nach kurzem Stücke
Sah ich, wie plötzlich sich ein Schlund auftat,
Daß ich nicht vorwärts konnte noch zurücke.

Und Todesangst befiel mich, ohne Rat
Stand ich und rief: "Wer baut mir eine Brücke?"
Und zur Verzweiflung mir, voll Hohn und Tücke,
Scholl wider nur der Ruf vom fernen Grat.

Da sah ich mir ein marmorn Antlitz nah
Mit dunkeln Augen, leuchtend in der Nacht,
Und eine Stimme, leise, doch voll Macht,

Sprach: "Schlingst vertrauend du den Arm um mich,
Trag' ich dich übern Abgrund!" - Schweigend da
Schlang wie ein Kind um ihn die Arme ich.


II.
Ich hörte rauschen nur den Flügelschlag,
Sonst nichts. Ich frug: "Wer bist du? Denn bei dir
Fühl' ich so froh mich und so sicher hier,
Als hätt' ich nicht gelebt vor diesem Tag."

Er schwieg, und übern Abgrund schwebten wir.
Da weint' ich, denn, der ihm im Auge lag,
Der Wehmutborn floß über. "Engel, sag,"
Frug ich aufs neu, "gilt diese Träne mir?"

Nach einer Weile sprach er: "Ja, ich weine
Um das, was du schon littst in meinem Namen
Und leiden wirst. Sieh, hier bleibst du alleine."

Und als wir dann zu einem Walde kamen,
Küßt' er mir noch die Augen zu . . . Und schwer
Sank ich zur Erde, hört' und sah nicht mehr.

Aus: Helene Swarth Sonette
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXIV (1914) (S. 12-13)

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Liebe und Sünde

Liebe und Sünde sah ich Hand in Hand
Mit roten Rosen in dem goldnen Haar.
Sie winkten freundlich: "Ins Gelobte Land
Komm mit uns mit!" Vor Lust und süßer Fahr

Bebt' ich, und Liebe reichte mir zum Pfand
Still eine große Passiflore dar,
Sünde flocht um mein Haar ein Rosenband.
Ich folgt' und wußte nimmer, wo ich war.

Doch da ich nach dem Weg mich umsah, der
Fern hinter mir im Dunkel sich verlor,
Da sah ich Scham und Reue Hand in Hand.

Und Scham wich hin in einem weißen Flor,
Traurig, und bleich - die Toten sind's nicht mehr -
Zog Reue mit nach dem Gelobten Land.

Aus: Helene Swarth Sonette
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXIV (1914) (S. 24)

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Liebe und Muse

Mich führte Liebe, wo ein Rosenregen
Aufs Haupt mir floß, mit Kuß und Minnesang.
In Wonne schmolz ich; doch mit hartem Klang,
Wie seinen Hund ein Mann forttreibt mit Schlägen,

Sprach sie: "Geh nun; wir scheiden!" Welk da sank
Aus dem Gelock, noch warm von ihrem Segen,
Blume auf Blume mir. Und ich umschlang
Ihr Kleid: "Verlaß mich nicht auf diesen Wegen!"

Doch streng entzog sie sich den Schmeichelbanden
Und ging . . . Lang stund ich wie ein Bild von Stein,
Da aber rauschten Worte auf mich ein.

Die Muse sprach: Folg mir zu schönern Landen!
Da tröst' ich dich mit Saitenspiel und Sang.
Ich fiel zu Füßen ihr und weinte lang.

Aus: Helene Swarth Sonette
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXIV (1914) (S. 26)

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Liebe und Leid

Dann hört' ich an mein Herz voll Heftigkeit
Pochen, und da ich auftat, sah ich zween
Besucher, statt nur eines, vor mir stehn;
In weißem der, jener in schwarzem Kleid.

Ich frug: "Sagt, was ihr bringt und wer ihr seid."
Der weiße sprach: "Weh, die mir widerstehn!
Liebe heiß' ich." Der andre drauf: "Ich Leid."
"Willkommen, Liebe, denn; du, Leid, magst gehn."

Ich wartete, daß ihrer eines scheide,
Doch Liebe wies mir beider Gürtel fest
Verknüpft durch eine Schnur von Diamant.

"Versteinte Tränen bilden dieses Band.
Wähl' Einsamkeit und Haß, wenn nicht uns beide!"
Da wählt' ich Leid, das mich nun nie verläßt.


Aus: Helene Swarth Sonette
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXIV (1914) (S. 28)

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Grausame Liebe

Einst stahl ich einen Funken von der Glut
Des Altars, kühn; an eine Säule mich
Band da der Gott, wählte aus Rosen sich
Ein Dorngebind und kam in stummer Wut.

Ich trug die Gottesschläge mutiglich,
Schrie, klagte nicht, kein Lamm hielt sich so gut,
Vergoß der Opferstahl sein wehrlos Blut.
- In heil'gen Hainen barg sich und verblich

Die Sonne. Vor mir stand der blonde Gott
Funkelnden Augs und sah das Blut, wie's sprang,
Den Altar färbte, mit wollüst'gem Spott.

Doch als die Geißel mich zum Sprechen zwang,
Schleudert' ich ihm ins marmorne Gesicht
Dies wahre Wort: "Haß bist du, Liebe nicht!"

Aus: Helene Swarth Sonette
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXIV (1914) (S. 29)

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Abendlied

Ruhig auf dem glatten Weiher
schwimmen silberreine Schwäne.
Hagelweiße Hagedorne
duften längs Allee und Lehne.

Festlich segeln weiße Wolken,
wo die Kimmen feurig blauen.
Majestätisch längs der Pfade
prunken perlenweiße Pfauen.

Nickend mit den feinen Glöckchen,
winkt die Szilla aus dem Grunde;
Anemonenknospen springen
Maßlieb schießt die Strahlenrunde.

Über blasse Rosen flattern
weiße Falter hin und wieder.
Aus dem Zitterlaub der Birke
Gurrt ein Täubchen zärtlich nieder.

Weiße Mädchen wandeln träumend
längs der blütenvollen Triebe.
Hoch blinkt, einsam ewig schweigend,
ewig fern, der Stern der Liebe.

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 6)

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Ermordete Liebe

Nun liegt ermordet meine Liebe, Dorne
Ums edle Haupt und, wo das Schwert sie traf,
Rot das Gewand von ihrem Herzensborne,
Noch rührend schön im Todesschlaf.

Naht ihrem Schmerz- und Sterbelager schweigend,
Fühlt an ihr Mündchen, ist's nicht kalt wie Stein?
Über die Blonde euch zum letzten neigend,
Küßt ihre Händchen, o so fein.

Legt eine Lilie drein und eine Palme,
Streut weiße Rosen auf ihr Kissen sacht,
Streichelt ihr Haar, golden wie reife Halme,
Und sagt ihr weinend Gutenacht.

O Lieb! Der Schmerz, der Kummer, so zu scheiden!
Sieh, eine Hand zieht schon den Vorhang zu.
Stütz dich auf mich, das Stärkre von uns beiden;
Wir gehn zusammen, ich und du.

Nein, schluchz nicht so! Will dir die Schuld nicht geben.
Der diese Tat getan, weiß nicht, wer's war.
Herz meines Herzens, meines Lebens Leben,
Du bist dahin auf immerdar.


Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 11)

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Im Exil

Wie lang und trüb ist ohne dich mein Tag!
Wie bitter im Exile schmeckt mein Brot,
Nun an dem Busen, der mir Zuflucht bot,
Mein träumend Haupt nicht länger rasten mag.

Was liegt mein Leib nicht in der Erde, sag?
Mein Geist flog zu dir: Liebe trotzt dem Tod.
Wie lang und trüb ist ohne dich mein Tag!
Wie bitter im Exile schmeckt mein Brot!

Ich ruf', weht blutrot übern Winterhag
Die Abendflagge, nach dem Morgenrot,
Doch nicht erhellt das Frühlicht meine Not.
Ich wollt', zu Ende wär' all, was ich trag'!
Wie lang und trüb ist ohne dich mein Tag.

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 14)

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Sommernacht

Die Sterne blühten in der Sommernacht,
Der Südwind war im Bäumicht fromm erwacht.
Des Mondes Zitterstrahlen flossen weiß
Auf alt Gebäu, die Schwäne schlossen leis
Das Aug, hinschwimmend auf der dunkeln Gracht.
Die Sterne blühten hell in Funkelpracht.

Wir zogen träumend durch die Gassen hin.
- Mich tröstet's noch, nun ich verlassen bin. -
In Schlummer lag die Stadt und still der Plan,
Der Mond zog langsam hin die Silberbahn,
Dann ging's über die alte Brücke dort.
- Erinnrung bringt so treu zurück den Ort! -

"Suchst einen Fels du, der dich schützen mag?
O, kann mein Arm dich denn nicht stützen, sag?
Suchst eine Brust du, warm voll Schmerzensmut?
O, still an meiner deine Herzensglut.
Suchst eine Seele du, die zu dir spricht:
'Erwach vom Tod!' hier meine tu' die Pflicht."

Manch Jahr ging hin nach jener Sommernacht.
Ein Lüftchen ist im Bäumicht fromm erwacht.
Die Augen seh ich, blau, im Sternenlicht,
Die stille Stadt, gleichwie im Ferngesicht.
Das Wort, das seine Liebe sprach, die Nacht,
Ich hör' es noch im Grabe nach . . . ganz sacht.

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 15)

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Erste Liebe

Sie kam zu mir in der Frühlingsnacht,
Und ich streichel' ihr Haar so traurig, so sacht.
Und sie schmeichelt so süß, den Klang im Wort,
Womit sie mich einst in den Himmel gebracht:
"O küß mich noch einmal, dann muß ich fort."

Wohl netzen mir Tränen das Angesicht,
Doch die Lippen, die logen, küsse ich nicht,
Eine tote Rotrose giebt sie mir,
Verdorrte Veilchen, Vergißmeinnicht;
Doch vertrocknete Blumen sind schlechte Zier.

"O zeig mir den Bösen, der mich vertrieb,
Deine junge Liebe, so blond, so lieb!"
"Du hast mich verlassen - weißt du's nicht mehr? -,
Da Oktoberwind durch die Bäume trieb.
Ich vergeß' es nicht, wie lang es auch her."

Da klingen die Glocken: "Zu spät! zu spät!"
Und sie preßt die Hände vors Antlitz und geht,
Auf der Wange noch warm meine Tränen, und bang
Wie ein Kranker, vor dem der Tod schon steht,
Sink' ich ins Kissen und weine lang.

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 16)

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Falsche Liebe

Einst kam sie zu mir an dem Wasserfall,
Und sie bracht' einen Becher von reinem Kristall,
Und sie lachte mit Augen so blau, so gut:
"O trink meinen Wein, es durchfließt sein Schwall
Deine schmachtenden Glieder wie Sonnenglut."

Ich nahm den Becher, den sie mir bot,
Und wie Honig so süß und wie Blut so rot
Und wie Flammen so heiß war der Zaubertrank.
Ich frug: "Bist du Leben, sag, oder Tod?
Und soll ich dir lohnen mit Fluch oder Dank?"

"Nicht Leben, nicht Tod, doch beider Verein,
Dieselbe, mag anders mein Name auch sein,
Nicht jene, doch wohl deine Liebe, mein Kind.
Und dein Dichterruhm ist, den du trinkst, der Wein,
Und die Hölle das Feuer, das dich durchrinnt!"

Da nahm ich den Becher von reinem Kristall
Und warf ihn, voll Grimms, in der Wasserfall.
"Meinen Ruhm nun trank ich im Rausch, mein Gott!
Und der Nachschmack ist bitter wie Galle, und all
Meine Liebe nicht Liebe, nur Haß und Spott!"

Und sie lachte mit Lippen wie Kirschen rot:
"Nach dem Tod nun kein Leben, nein, lebend tot!
Und das, weil du trankst meinen Zauberwein!"
Doch ich faßte ihr Kleid in Herzensnot,
Und ich sprach: "Nein, du kannst keine Liebe sein!"

Ich hielt ihr Gewand an dem Silbersaum,
Und ihr Antlitz erschien wie ein Himmelstraum,
Doch ich schleudert' sie fort bei dem goldenen Haar,
Bis sie sank und ertrank im Wogenschaum,
Und ich weinte um sie, da sie nicht mehr war.

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 17)

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Wahre Liebe

Sie kam zu mir wie von Gott gesandt,
Und sie nahm mein Leid in die Lilienhand
Und gab Passifloren und Rosen mir
Und einen Kuß als Liebespfand,
Und ich sprach: "Der Dichterruhm weicht vor dir!"

"Gieb Tränen mir nun und Dornenkranz,
Daß zu Christus ich steig' in des Himmels Glanz!"
Und die Tränen empfing sie in goldenem Pokal,
Und die blutigen Dornen erblühten ganz
Und umschlangen ihr Haar mit rosigem Strahl.

Oh, der Himmel ist hoch und lang der Pfad,
Und als sie zum letzten die Erde betrat,
Da klammert' ich mich an ihr Purpurgewand,
Bis ihr göttliches Auge sah, wie ich bat,
Und sie segnend aufs Haar mir legte die Hand.

Wohl gab sie mir wieder den Dornenkranz,
Doch er blühte voll Rosen in Flammenglanz,
Wohl gab sie mir wieder mein altes Leid,
Doch das Leid war zu Wonne verzaubert ganz.
Und ich faßte und küßte ihr Purpurkleid.

Ich küßt' ihre Flügel flammend rot.
Da entrollten dem Becher, den sie mir bot,
Meine Tränen, zu Perlen geküßt von ihr.
Nun bleib' ich ihr treu, bis der bleiche Tod
Das lebende Feuer erlöscht in mir.

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 18)

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Das Haus der Treue

Komm und klopf an das Haus meiner Liebe nun an,
Da Stern bei Stern zu funkeln begann!
Komm, im Haus meiner Treue warte ich,
Vor dem Sturm, vor dem Froste da schütze ich dich
In der Kammer voll Rosen und Flammen.

Sieh, wie lustig die goldenen Flammen wehn;
Keine Uhr, die zeigt, wie die Stunden vergehn.
Hyazinthen und Lilien blühn hier und glühn,
Übers Heiligtum schattet Palmengrün,
Und die Ampeln, sie sind alabastern.

Nicht fehlen Syringen und Nelken, und dicht
Entsprießen da Veilchen, Vergißmeinnicht,
Und die Wachskerzen brennen früh und spät,
Und in Duft von Reseda und Himbeer steht
Dein Bild auf marmornem Altar.

Sieh, da thronst du als lachender Frühlingsgott,
Hast für Tränen und Klagen und Seufzer nur Spott;
Und die Glorie des Haares ist wie Sonnenschein,
Und das Aug wie der Himmel so blau und rein,
Wie ein funkelnder Himmel im Frühjahr.

Laß dir küssen den schweigenden, farblosen Mund!
Ein lebendiger Kuß macht ja Kranke gesund.
O die Wangen wie Schnee! o die Lippen wie Tod!
Komm denn her, du mein Kind, und ich küsse sie rot,
Und ich wiege dich warm in den Armen!

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 24)

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Liebe und Stolz

Nun kämpfe Stolz und Liebe Brust an Brust, -
Das Götterkind, das Tränen trinkt und Blut,
Der kühne Kriegsmann, heiß von Herrscherlust!
Mein Thron ist nicht für zwei. Zeig' deinen Mut,
Stolz, bis dein erzner Fuß auf ihrem Nacken ruht!

Ein Helm von Silber krönt ihr fürstlich Haupt;
Ein Panzer schützt ihr unterm weißen Kleid
Den zarten Leib, daß sie zu siegen glaubt.
Haß funkelt ihr im Auge, kampfbereit,
Wie Sternenlicht in dunkler Flut zur Abendzeit.

Beim Ringen löst sich ihrer Locken Pracht
Wie goldne Schlangen in der Sonne Brand,
Wie ferne Flammen, wild und rot entfacht,
Wie Abglanz roten Blutes, warm entsandt,
Wie Weissagung des Purpurs, den sie noch nicht fand.

Wollüstig da mit schmeichelnder Gewalt
Umschlingt sie seinen Hals, er aber weiß,
Wie falsch ihr Wort ist und ihr Herz wie kalt,
Und daß ihr Kuß wie eine Hölle heiß.
Schenk keine Gnade, Stolz, such vollen Kampfespreis!

Sie fällt! - Nun jauchze, sing das Siegeslied,
Breit Purpur vor des Fürsten Füße, spar
Die Rosen nicht und Palmen, wo er zieht,
Füll seinem Herrscherdurst den Becher klar,
Krön mit der Krone ihn, reich ihm den Purpur dar.

Entfach nun Freudenfeuer weit und breit,
Laß Fahnen wehn vom Turm im Sonnenglanz,
O Seele mein, durch König Stolz befreit!
Ruf deiner Träume ganzes Volk zum Tanz,
In weißem Festkleid, auf dem Haupt den Blumenkranz.

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 25)

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Ich such' nach Worten . . .

Ich such' nach Worten, und ich find' sie nicht,
Hauch' deinen Namen nur wie ein Gebet,
Fass' deine Hand und blick' in dein Gesicht . . .
Wie wird mir kund, ob mich dein Herz versteht,
Wo stumm nur meine bittre Träne spricht
Und sagt, was keine Sprache je verrät?

Ich bin dem Kinde gleich, das einen Krug
Voll weißer Milch, behutsam, schier verzagt,
Hinträgt auf Pfaden, aufgewühlt vom Pflug,
Das kaum die Füße vorzusetzen wagt,
Die flinken Füße, sonst doch rasch genug,
Für jeden Falter, den das Händchen jagt!

So trag' ich langsam dies randvolle Herz,
Den Kelch voll weißer Liebe, hin. O bliebt
Ihr fest nur, meine Füße, allerwärts
Fest nur ihr Hände, fest, solang es liebt!
Liebster, ich weiß nur dies: Liebe ist Schmerz,
Und voll das Herz, das Gott dem Dichter gibt.

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 29)

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Verkündet's nun, alle ihr Glocken . . .

Verkündet's nun, alle ihr Glocken
mit festlichem erzenem Mund!
Wer flicht mir den Kranz in die Locken?
wer bestreut uns mit Rosen den Grund?

Laßt wehen die silbernen Fahnen!
Der Hochzeitchor erbraus',
Und es schreit' uns in weißen Gewanden
ein Zug von Mädchen voraus.

Und es falle in duftenden Flocken
vor uns nieder ein Blumenschnee,
Damit unser Fuß wie auf weißen
Schwanendaunenteppichen geh.

Und es fülle die schweigenden Gassen
mit Wogen von süßem Klang
Eine Schar von blonden Knaben,
mit Flöten- und Geigensang.

Laßt strömen die purpurne Weinflut
in die Becher von reinem Kristall,
Laßt funkeln die Lust in den Augen
wie die Sonne im Wasserfall.

O komm nun zu mir, wo ich hinknie,
heb mich auf wie ein Wirbelwind,
Schließ mich fest an dein Herz wie die Mutter
ihr wiedergefundenes Kind!

Laß zusammen nun schlagen die Flammen
wie Wogen, Lieb, um uns her,
In dem Feuerschwall uns zusammen
vergehn wie zwei Vögel im Meer!

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 30)

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Herzblut

Nun ist mein Herz, von ird'scher Liebe heiß,
Die rote Rose, deren Blätterglut
Entpreßt ihr wird von Fingern strahlend weiß,
Und weinend giebt sie hin ihr Rosenblutt.

Du Rächerengel, hell von Angesicht!
O martre nicht mein Herz so mitleidbar!
Was nahmst du eine weiße Rose nicht
Statt dieser roten für dein Kleid, dein Haar?

Er aber läßt nicht frei mein blutend Herz,
Sein heilig Werk vollführt er streng und hart.
Gott, mach mich stark! Denn ich erlieg' dem Schmerz,
Bevor das Flammenrot zur Lilie ward.

Aus: Helene Swarth Lieder und Elegien
Aus dem Niederländischen von Otto Hauser [1876-1944]
Alexander Duncker Verlag Weimar MCMXVII (1917) (S. 35)

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Biographie:
Swarth, (Stephanie) Hélène, niederländ. Lyrikerin, 25. 10. 1859 Amsterdam - 20. 6. 1941 Velp. 1865 mit den Eltern nach Brüssel. Schule in Amsterdam. oo 1894 den Journalisten Frits Lapidoth. - Frühe Gedichte in franz. Sprache unter Einfluß der franz. Romantik. Dann Einwirkung Heines, Lenaus, Novalis' u. bes. J. Perks. Die Gedichte in 'Blauwe bloemen' haben infolge Enttäuschung schwermüt. Charakter. In 'Wijding' Rückkehr zu liberaler Religiosität.
Aus: Autorenlexikon: Swarth, Hélène, Digitale Bibliothek Band 13: Wilpert: Lexikon der Weltliteratur.
siehe auch: http://nl.wikipedia.org/wiki/Helene_Swarth

 

 

 


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