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Ausonius (310-395 n. Chr.)
römischer Dichter
Die Schwäbin Bissula
(Geschrieben um 370)
I. An Paulus
Ganz nach Wunsche kriegst du, Paulus, alle Verse auf Bissula,
Die der Schwabenmaid zu Ehren ich hinwarf; du siehst sie da!
Mehr der Muße frönend, als nach Ruhme strebend, schrieb ich sie:
Lies nun, o du läst'ger Fordrer, diese läst'ge Poesie!
"Selbst auslöffeln, was man einbrockt'", heischt ein altes wahres Wort;
Trage denn der Schmied die Kette, die er schmiedete, hinfort.
(S. 461)
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II. An den Leser
Wer da meines ungefügen Liedes schmales Büchlein liest,
Leg' den strengen Ernst beiseit',
Da man mit gefurchter Stirn nur ernster Dichtung Wert ermißt.
Bacchus führt mich allezeit:
Bissula wird hier besungen; wie Cratinus mahn' ich dich:
"Trink' erst eins, bevor du liest!"
Nüchternen schreib' ich keiner Lieder. Nach dem Zechen lese mich
Jeder, der vernünftig ist,
Noch vernünft'ger, wer das alles nur für Traum hält wonniglich,
Während Schlaf sein Auge schließt.
(S. 461-462)
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III. Bissula
Überm kalten Rheine drüben ist ihr Stamm, ihr Vaterhaus.
Bissula, kaum geboren, sah sie auf den Donauquell hinaus.
Kriegsgefangen, freigelassen ist sie dessen Herrin heut,
Dessen Liebling, der als Beute sie gewann im Kriegesstreit.
Mutterlos und ohne Pfleg'rin kannte sie kein Herrngebot,
[Da der Herr mit milden Händen bald ihr ihre Freiheit bot.]
Ihr Geschick ward, ihre Heimat nie zum Vorwurf ihr gemacht,
Knechtschaft hat sie nie erfahren, Freiheit ward ihr gleich gebracht.
Rom hat sie geändert, aber ganz germanisch, wie es war,
Blieb ihr Antlitz, blau die Augen und wie Gold ihr blondes Haar.
Sprache und Gestalt, sie machen zwitterhaft das Mädchen fein,
Nach der Sprache ist sie römisch, nach dem Wuchs stammt sie vom Rhein.
(S. 462)
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IV. Wiederum sie
Liebling mein, Schmeichlerin, Liebchen, Lust, Frohlocken,
Fremd und doch Siegerin über die Römertocken!
Bissulas Name klingt Fremden vielleicht abscheulich -
Da so zart ist die Maid; aber dem Herrn erfreulich.
(S. 462)
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V. Ihr Bild
Bissula, für Wachs und Purpur unnachahmbar jederzeit,
Deren angeborne Zierde nie verlogner Kunst sich leiht.
Bleiweiß, Minium! Stellt nur andere Mädchen dar; hier langt ihr nicht,
Keine Künstlerhand kennt derlei zart gefärbtes Angesicht.
Gieße Purpurrosen, Maler, aus und menge Lilien drein,
Und wie zart gefärbte Lüfte soll ihr lieblich Antlitz sein.
(S. 462)
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Aus den Epigrammen
Ich liebe jene, die mich haßt,
Und hasse jene, die mich liebt.
Sag', Venus, wenn's Entscheidung gibt,
Wie nehm' vom Herzen ich die Last?
"Das ist ganz leicht; ich ändre nur
Der Mädchen Lieben und Natur.
Dann haßt dich die - und jene liebt."
Was nur den gleichen Zwiespalt gibt.
"Ja, willst du beide lieben? - Sprich!"
Wenn beide mich lieben - sicherlich!
"Das, Lieber, leiste dir allein.
Lieb' selbst, willst du geliebt auch sein!"
(S. 467)
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Venus, du hast mir geraten,
Zwei in schwerer Not zu lieben
Und nun - hassen sie mich beide;
Gib mir einen andern Rat.
"Schenke nur - dann wirst du siegen!"
Gern; doch fehlt's an barem Gelde.
"So verlock' sie durch Versprechen!"
Armen Teufel glaubt man nicht.
"Ruf die Götter an zu Zeugen!" -
Soll die Götter ich belügen?
"Wach' die Nacht vor ihren Türen!"
Nacht ist keines Menschen Freund!
"Schreib Gedichte!" Wenn ich's könnte!
Ohne aller Musen Hilfe?
"Brich gewaltsam auf ihr Haustor!"
Ach, die Richter strafen streng.
"Tor, willst du an Liebe sterben,
Doch nicht sterben um die Liebe?"
Lieber will mein Leid ich tragen,
Als strafwürdig, schuldig sein.
"Nun, ich riet, soweit ich konnte,
Frage andre!" Sag' mir, wen doch?
"Frag' die Phaedra, frag' die Dido.
Bessern Rat weiß ich dir nicht."
(S. 468)
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An seine Frau
Laß fort uns leben! Bleiben wir die Alten,
Und die wir einst im Brautgemach uns gaben,
Die alten Namen laß uns beibehalten.
Wir wollen keinen Tag im Leben haben,
Der uns verändert! Bleib du mir die Maid
Und sieh du stets in mir den Jünglingsknaben.
Sei älter auch als Nestor ich an Zeit
Und magst du der Sibylle Jahre tragen,
Was Alter ist und Greisenhaftigkeit,
Wir wollen es nicht wissen, nicht drum fragen.
Der Kluge schätzt - doch zählt er nicht die Zeit.
(S. 469)
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Ich möcht' ein Mädchen so gesinnt,
Daß blind zu streiten sie beginnt.
Nicht prüde sein, reden jederzeit,
Schön, frech, zu jedem Streich bereit,
Die Schläge nimmt und schlagen kann,
Geschlagen aber küßt den Mann.
Denn wenn sie solcher Art nicht ist,
Bescheiden, keusch, klug jeder Frist.
Verzeiht die Sünde mir - allein,
Das würde ja ein Ehweib sein.
(S. 470)
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Individuell
Wenn dich andre häßlich schelten,
Ich, mein Mädchen, merk' es nicht.
Mir wirst immer schön du gelten;
Mir genügt dein Angesicht.
Ja, ich wünsche, weil mit Liebe
Gern die Eifersucht sich eint,
Daß die andern häßlich bliebe,
Die mir schön genug erscheint.
(S. 470)
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Übersetzt von Josef Maria
Stowasser (1854-1910)
Aus: Römerlyrik
In deutsche Verse übertragen von J. M. Stowasser
Heidelberg Carl Winters Universitätsbuchhandlung 1909
Liebesgedichte an Bissula in einer anderen
Übersetzung
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