William Shakespeare
(1564-1616)


Sonett 105

Nennt meine Lieb' nicht Götzendienst, vergleicht
Nicht den Geliebten einem Prunkidole,
Weil all mein Preis und Sang zu ihm sich neigt,
Ich stets das Lob des Einzigen wiederhole.

Gut ist er heut und morgen wieder gut,
Ein Wunder von unwandelbarer Treue,
Drum hochbeseligt sing' ich hochgemuth
Beständig den Beständigen auf's Neue.

Schön, gut und wahr, ist meine einz'ge Weise.
Schön, gut und wahr, in lieblicher Verbindung, -
In dieses Dreiklangs einigem Zauberkreise
Erschöpft sich alle Weisheit und Erfindung.

Schön, gut und wahr, - man sieht's wohl oft allein -
In Dir zuerst gewahrt man's im Verein.



Übersetzt von Friedrich Bodenstedt (1866)

 


 

 



weitere Übersetzungen:

Sonett 105

Mögt Götzendienst ihr meine Lieb nicht nennen,
drin der Geliebte als ein Götze throne,
weil ich nur ewig ihn für wert erkennen
des Preises will, nur ihm mit Loblied lohne.

Gut ist er heute, gut in spätern Tagen
und treu wie keiner auf der weiten Welt;
drum kann mein Lied nur stets dasselbe sagen,
das der Beständigkeit die Treue hält.

»Schön, gut und treu«: nur darauf sich berief
- auf daß es schön und gut und treu – mein Dichten;
für aller Varianten Grundmotiv
muß ich drei Klänge mir zum Dreiklang schlichten.

Man trifft sie einzeln oft: schön, gut und treu,
vereinigt sieht man hier erst alle drei.



Übersetzt von Karl Kraus (1933)

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 Sonett 105
 
Nennt meine Liebe nicht Abgötterei,
Und mein Geliebter soll kein Abgott scheinen,
Weil all mein Lied und Lob stets einerlei
Sich immer gleicht, von Einem, an den Einen.
 
Mein Freund ist gütig heut und morgen gütig,
Nie wankend in vollkommner Trefflichkeit;
So kündet auch mein Lied, nie wankelmütig,
Nur immer eins und flieht Verschiedenheit.
 
Schön, gütig, treu, was andres sing ich nie,
Schön, gütig, treu, in neue Wort es schmiegend;
Dies Spiel erschöpft all meine Poesie,
Drei Themata in einem, nie versiegend.
 
Schön, gütig, treu, die wohnten oft allein;
Jetzt kehrten diese drei bei Einem ein.



Übersetzt von Otto Gildemeister (1871)

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Sonett 105

O nennt nicht Götzendienst mein inn'ges Lieben,
Nennt keinen Abgott den erwählten Freund
Mein Sang und Preis ist sich stets gleich geblieben
Vor ihm, für ihn, hat es nur ihn gemeint.

Mein Freund war gestern hold, und ist es heut,
Beständig gleich, mit wunderbarer Treue
So weiht mein Lied sich der Beständigkeit,
Singt stets nur Eins, sucht nicht das seltsam Neue.

Schön, hold und treu, das wird mein Vorwurf bleiben,
Schön, hold und treu gar mannigfach zu preisen,
In Vers und Reim, sonst weiß ich nichts zu schreiben,
Ein kleiner Text zu tausendfält'gen Weisen.

Schön, hold und treu; getrennt wohl lebten sie,
Allein bis heut so süß vereinigt nie.



Übersetzt von Dorothea Tieck (1826)

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Sonett 105
 
Nennt meine liebe nicht abgötterei
Drin den geliebten ihr als götzen seht -
Sagt nicht · mein sang und lob sei einerlei:
Einem · an einen · immernoch und stet.
 
Gut ist heut meine liebe · morgen gut ·
Beständig stets in wunderbarem grad -
Weshalb mein vers auf ständigkeit beruht ·
Ein ding nur sagt · nicht sucht nach andrem pfad.
 
›Schön gut und treu‹ dies ist mein ganzer plan . .
›Schön gut und treu‹ mit neuer worte spiel . .
Mein dichten dreht sich nur in dieser bahn.
Drei ding in einem: wunderbares ziel!
 
Schön gut und treu:  sie lebten oft allein
Doch selten an demselben platz zu drein.



Übersetzt von Stefan George (1909)

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Sonett 105
 
Nicht Götzendienst nennt meine Liebe! Nimmer
Betrachtet als mein Götzenbild den Freund:
Denn all mein Singen, all mein Loben, immer
Von einem, nur auf einen ist's gemeint.
 
Gut ist mein Liebling heut, ist morgen gut;
Ein seltnes Wunder treuer Freundespflicht;
Und so, erfüllt von immer gleichem Mut,
Bedarf nicht der Veränd'rung mein Gedicht.
 
Schön, gut, und wahr ist all mein Gegenstand;
Schön, gut, und wahr, verändert nur nach Namen;
In einem drei: welch weites Wunderland!
In ihrem Wechsel aller Dichtung Samen.
 
Schön, gut, und wahr; sie leben oft zerstreut:
In einem nimmer, bis auf unsre Zeit.



Übersetzt von Johann Gottlob Regis (1836)

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Sonett 105
 
Laßt meine Liebe nicht Vergött'rung nennen,
Stellt den Geliebten nicht als Abgott dar,
Weil meine Lieder einen Stoff nur kennen:
Ihn selbst, ihn nur, ihn noch, ihn immerdar.
 
Gut ist er heute, morgen, alle Stunden,
Stets gleich in wunderbarer Trefflichkeit;
Da nun mein Vers an Treue so gebunden
Und Eins nur spricht, fehlt ihm Verschiedenheit.
 
Schön, gut und wahr, das ist's was ich besinge,
Schön, gut und wahr, bald so, bald so erklärt;
Daß wechselnd er die drei in Eins verschlinge,
Übt sich mein Geist, was Wunder ihm gewährt.
 
Schön, gut und wahr, sie wohnten oft alleine;
Doch sah man nie, bis jetzt, sie im Vereine!



Übersetzt von Fritz Krauss (1882)

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Sonett 105
 
Nicht Götzendienst nennt meine Liebe, heißt
Nicht Götzen mir den Freund, weil mein Gesang
Nur ihm erklingt und immer ihn nur preist
Mit unverändertem, mit gleichem Drang.
 
Hold ist mein Liebster heut und morgen hold,
Beständig ist er auch und zwar recht sehr;
Beständig steht mein Lied in seinem Sold
Und singt von ihm nur und will sonst nichts mehr.
 
Schön, hold und treu, das ist mein einz'ger Stoff,
Dem ich nur wechselnd andre Worte leih',
Von dem ich höchste Wirkung mir erhoff’:
In diesem Einen hab' ich ihrer drei.
 
Schön, hold und treu sind hier in Eins verbunden,
Die sich bis jetzt in Einem nie gefunden.



Übersetzt von Ferdinand Adolph Gelbcke (1867)

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Sonett 105
 
Laß nicht abgöttisch meine Liebe heißen,
Noch den Geliebten nur ein leer Gedicht,
Da gleicher Weis' mein Singen und mein Preisen
Von ihm und zu ihm stets dasselbe spricht.
 
Mein Lieb ist freundlich heut und freundlich morgen,
Und stete Treue schmückt ihn wunderbar;
Drum auch um Mannigfaltigkeit nicht sorgen
Die Vers', und stets dasselbe bringen dar.
 
Schön, freundlich, treu – dies ist mein Stoff zum Singen,
Schön, freundlich, treu, in bunter Worte Zier;
Aus diesem Kreis darf Phantasie nicht dringen,
Sie liegen, seltner Inhalt, all' in dir.
 
Schön, freundlich, treu – getrennt sah oft man sie,
Allein bis jetzt in einem Wesen nie!



Übersetzt von Emil Wagner (1840)

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Sonett 105
 
Abgöttisch sei mein Lieben nicht genannt,
Auch keinem Abgott sei mein Freund verglichen,
Weil wandellos mein Lied und Lob sich fand,
Von ihm zu ihm nur spricht, unabgewichen.
 
Hold ist er heut, und morgen wieder hold,
In Trefflichkeit ganz wunderbar beständig;
Drum, weil mein Vers dies schildern nur gewollt,
Ist ihm Bestand und gleiches Maß nothwendig.
 
Hold, schön und treu – ist das, was ich besinge,
Hold, schön und treu, - gefaßt in neue Weisen,
Damit mein Vers in stetem Wechsel klinge,
Drei Stoff um einen unerschöpflich kreisen.
 
Hold, schön und treu – wohl oft getrennt gefunden,
Heut sehn in Einem wir die Drei verbunden.



Übersetzt von Benno Tschischwitz (1870)

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Sonett 105
 
Nennt Götzendienst doch meine Liebe nicht
Und nicht mein Lieb ein eitles Scheingebild,
Weil immer gleich mein Preis und mein Gedicht
Und stets von Einem wechsellos erfüllt.
 
Gut ist mein Lieb — so jetzt wie jederzeit,
Und wunderbar beständig immerdar,
So dass mein Lied, Beständ'gem nur geweiht,
Nur Eines singend, jeden Wechsels bar.
 
Schön, gut und treu ist stets mein Gegenstand,
Schön, gut und treu — nur immer variiert,
In diesen Wechsel all mein Sang gebannt,
Da dies Dreieine nie erschöpft doch wird.
 
Schön, gut und treu — wohl einzeln oft zu sehn,
Sind hier zum ersten Mal vereint so schön.



Übersetzt von Alexander Neidhardt (1870)

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Liste der hier vertretenen Übersetzer:

  1. Bodenstedt Friedrich  (1819-1892)
    William Shakespeare's Sonette in Deutscher Nachbildung von Friedrich Bodenstedt,
    Berlin (Verlag der Königlichen Geheimen Ober - Hofbuchdruckerei R. Decker) 1866
     
  2. Gelbcke Ferdinand Adolph (1812-1892)
    Shakespeare's Sonette, übersetzt von F. A. Gelbcke,
    Hildburghausen Leipzig (Verlag des Bibliographischen Instituts) oJ (1867)
     
  3. George Stefan (1868-1933)
    Sonnette, Umdichtung von Stefan George, Berlin (Georg Bondi) 1909
     
  4. Gildemeister Otto (1823-1902)
    Shakespeare's Sonette, übersetzt und erläutert von Otto Gildemeister,
    mit Einleitung und Anmerkungen, Leipzig (F. A. Brockhaus) 1871
     
  5. Kraus Karl (1874-1936)
    Nachdichtung von Karl Kraus, Wien Leipzig (Verlag der Fackel) 1933
     
  6. Krauss Fritz (1842-1881)
    Shakespeare's Southampton - Sonette, deutsch von Fritz Krauss, Leipzig 1872
     
  7. Neidhardt Alexander (1819-1908)
    Shakespeare's kleinere Dichtungen, deutsch von Alexander Neidhardt, Berlin (um 1870)
     
  8. Regis Johann Gottlob (1791-1854)
    Shakspeare - Almanach, Hg. von Gottlob Regis, Sonnette, Berlin 1836
     
  9. Tieck Dorothea (1799-1841)
    Shakespeares Sonette in der Übersetzung Dorothea Tiecks
    kritisch herausgegeben von Christa Jansohn, Tübingen (Francke Verlag) 1992

     
  10. Tschwischwitz Benno (1828-1890)
    Shakspere's Sonette, deutsch von Benno Tschischwitz, Halle (Barthel) 1870
     
  11. Wagner Emil (1810-1889)
    William Shakspeare's sämmtliche Gedichte,
    Im Versmaße des Originals übersetzt von Emil Wagner, Königsberg 1840

     

Liste der Übersetzer von Shakespeares Sonetten:
http://pages.unibas.ch/shine/translatorsgerman2.htm

 

 

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