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Sonett 128
Wie oft, wenn deine lieben Finger leihen
dem toten Holze der Befühlung Glück
und lassen ihm die Wohltat angedeihen,
die meinem Ohr zuteil wird als Musik,
bin ich ein Bettler bloß vor solchen Tasten,
die spielend küssen deine holde Hand,
dieweil mein stummer Mund, verdammt zum Fasten,
nicht Töne hat wie jener Musikant.
Wie neidet er das Ding, das so genießt
und tief sich bückt, dem süßen Druck ergeben,
und wie's beglückt von Wohllaut überfließt,
weil deine Gnaden totes Holz beleben.
Sei weiter gnädig, doch gerecht auch, und :
gib ihm zum Kuß die Finger, mir den Mund!
Übersetzt von Karl Kraus (1933)
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Sonett 128
Oft, wenn du selbst Musik, Musik mir spielst,
Auf dem beglückten Holz, das tanzend klingt,
Wenn Du mit zartem Finger lieblich wühlst,
Daß in der Saiten Ton mein Ohr versinkt,
Neid' ich die Klötzchen, die leicht hüpfend spielen,
Das zarte Inn're deiner Hand zu küssen,
Da meine Lippen, statt dies Glück zu fühlen,
Erröthend ihre Kühnheit sehen müssen.
Sie tauschten gern und willig Stand und Rang
Mit diesen Klötzchen, für so sanftes Drücken,
Auf die Dein Finger tritt, im leichten Gang,
Das Holz, statt meiner Lippen zu beglücken.
Doch da so glücklich sind die kecken Dinger,
Laß mich die Lippen küssen, sie die Finger.
Übersetzt von Dorothea Tieck (1826)
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Sonett 128
Wie oft wenn du · mein klang · die klänge spielst
Auf dem beglückten holz dess regung tönt
Von deiner süssen hand und sanft befiehlst
Der drähte einhall der mein ohr umdröhnt:
Beneid ich diese tasten die mit eil
Das zarte innre küssen deiner hand . .
Indess mein armer mund · reif für solch teil ·
Errötend bei des holzes kühnheit stand.
Um so gestreift zu sein nähm er in kauf
Tanzender schnitze formung und befund
Darauf dein finger geht mit sanftem lauf ·
Tot holz beseligend statt lebendigen mund.
Da freches werkzeug so beglückt sein muss
Gib ihm den finger · mir den mund zum kuss.
Übersetzt von Stefan George (1909)
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Sonett 128
Wie oft, wann du, Musik mir, musizierest,
Wann unter lieben Fingern hochbeglückt
Das Holz sich regt und tönt, und du regierest
Der Saiten Wohllaut, der mein Ohr berückt;
Wie oft beneid ich dann die flinken Tasten!
Wie springen sie und küssen dir die Hand,
Ach, meine Lippen stehn dabei und fasten,
Ob solcher Keckheit schamrot, festgebannt.
Um solches Streicheln tauschten sie getrost
Rang, Los und Stand mit jener Tänzersippe;
Denn seliger, von Fingern so liebkost,
Ist totes Holz als die lebend'ge Lippe.
Wenn kleine Klötzchen denn so schwelgen müssen,
Laß sie die Finger, mich die Lippen küssen.
Übersetzt
von Otto Gildemeister (1871)
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Sonett 128
Wie oft, o meine Muse! wenn dein Finger
Aus dem beglückten Holz Musik entspann
Und jenen Wohllaut, meines Ohr's Bezwinger,
Mit süßem Griff den Saiten abgewann,
Beneidet' ich die Tasten, wie zu nippen
Sie deinen zarten Händen eilig nah'n,
Indes errötend meine armen Lippen
An kühnes Holz ihr Recht verschwendet sah'n.
Wie möchten sie um solch Berühren tauschen
Mit jedem Spänlein, das sich tanzend bückt,
Wenn deiner Wanderfinger leises Rauschen
Mehr totes Holz als roten Mund beglückt!
Wenn kecke Tasten denn so schwelgen müssen,
Laß sie die Hand, laß mich die Lippen küssen.
Übersetzt von Johann Gottlob Regis (1836)
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Sonett 128
Wie oft, wenn Du, mein Liebchen musicirest
(Du selbst Musik mir) und die Tasten schlägst,
Der Saiten Chor mit leisem Griffe rührest
Und sie zu süßer Harmonie erregst,
Beneid' ich diese Tasten, denn sie küssen
Die Fläche Deiner Hand im Sprunge kühn,
Wo meine armen Lipen darben müssen,
Die über solche Frechheit tief erglühn.
Wie gerne wären sie für solch Berühren
Das todte Holz, die kleinen Springerlein,
Die Deine Hände sich als Lustweg kühren,
Die sel'ger sind, als Lippen dürfen sein!
Ach ja! die Tasten sind durch Finger selig!
So gieb die Lippen mir, die Lippen wähl' ich.
Übersetzt von Ferdinand Adolph Gelbcke (1867)
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Sonett 128
Wie oft, wenn du, o meine Holde, spieltest
Auf dem beglückten Holz, das zitternd tönt
Von deines Fingers Griff, wenn auf du wühltest
Des Gleichklangs Ton, nach dem mein Ohr sich sehnt,
Beneidet' ich die Tasten, die in Eil'
Sich drängten, deine zarte Hand zu küssen,
Da meine armen Lippen ihren Theil,
Erröthend, kühnem Holz geschenkt seh'n müssen.
Drum gerne möchten sie die Stellen tauschen
Mit jenen Spänlein, die im Tanze nippen,
Wenn deiner flücht’'en Finger leises Rauschen
Mehr todtes Holz beglückt als frische Lippen.
Wenn keck die Taste selig sein denn muß,
Gönn' ihr der Hand, mir deiner Lippe Kuß.
Übersetzt von Emil Wagner (1840)
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Sonett 128
Wenn du, o meine süße Melodie,
Melodisch spielst auf der beglückten Taste,
Mit holdem Finger gleitet über sie,
Der Saiten Klang mein trunken Ohr erfaßte,
Neid ich das Holz, das so behende hüpft,
Dir frank und frei die zarte Hand zu küssen,
Da meinen Lippen ihre Ernt' entschlüpft,
Die ob der Kühnheit tief erröthen müssen.
Für die Berührung tauschten sie entzückt
Die Stelle mit den leicht bewegten Dingern,
Die todt – vor warmen Lippen sind beglückt,
Von dir durchwandelt mit so sanften Fingern.
Gib frechen Tasten, die beglückt sein müssen,
Die Finger denn, doch mir den Mund zu küssen.
Übersetzt von Benno Tschischwitz (1870)
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Sonett 128
Wie oft, wenn du, mein Wohllaut, musicierst,
Und das beglückte Instrument erklingt,
Sobald mit holden Fingern du's berührst,
Im reinsten Einklang, der mein Herz bezwingt,
Beneid' ich dann die Tasten um das Heil,
Zu küssen deine Hand so lieb und schön,
Da doch mein armer Mund beschämt derweil
Die dreisten seinen Herbst muss ernten sehn!
Um so berührt zu werden, würd' er stolz
Zur Taste werden, welche tanzt, wenn leicht
Dein Finger drüber hüpft und totes Holz
Beglückter als lebend'ge Lippen zeigt.
Soll ich's der kecken drum nicht neiden müssen,
Lass sie die Hand, doch mich die Lippen küssen!
Übersetzt von Alexander Neidhardt (1870)
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