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Sonett 18
Soll ich denn einen Sommertag dich nennen,
dich, der an Herrlichkeit ihn überglänzt?
Dem Mai will Sturm die Blütenpracht nicht gönnen,
und Sommers Herrschaft ist so eng begrenzt.
Oft leuchten seines Blickes Feuerfarben,
doch bald auch hört das goldne Glänzen auf,
bis seine allerletzten Spuren starben
in Wechsel und natürlichem Verlauf.
Dir aber soll der Sommer niemals scheiden,
die Zeit sei fern, daß Schönheit dir verdirbt.
Des Todes gier'ger Blick weiß dich zu meiden:
mein Wort verhütet, daß dein Wesen stirbt.
Solange Ohren hören, Augen sehn,
besteht mein Lied, wirst du im Lied bestehn!
Übersetzt
von Karl Kraus (1933)
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Sonett 18
Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?
Anmutiger, gemäßigter bist du.
Des Maies Lieblinge jagt Sturmwind von den Zweigen,
Und nur zu früh gehn Sommers Pforten zu.
Bald scheint zu heiß des Himmels Auge, bald
Umdunkelt sich sein goldner Kreis; es weilet
Das Schöne nie in seiner Wohlgestalt,
vom Zufall, vom Naturlauf übereilet.
Du aber sollst in ew'gem Sommer blühn,
Nie deiner Schönheit Eigentum veralten;
Nie soll dich Tod in seine Schatten ziehn,
Wenn ew'ge Zeilen dich der Zeit erhalten.
Solange Menschen atmen, Augen sehn,
So lang lebt dies, und heißt dich fortbestehn.
Übersetzt
von Johann Gottlob Regis (1836)
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Sonett 18
Vergleich' ich Dich dem Tag im holden Lenze?
Du bist viel süßer, bist Dir immer gleich:
Der Sturm zerreißt des Mayen Blüthen-Kränze,
Und kurze Zeit nur steht des Frühlings Reich.
Bald scheint zu heiß herab des Himmels Licht,
Bald hüllt in Wolken sich die goldne Spur.
Kein Schönes, dem nicht Schönheit oft gebricht,
Des Schmuck's beraubt durch Zufall und Natur.
Jedoch Dein ew'ger Lenz soll nie verblühn;
Nichts diese Zierde, die Dir eigen, kränken;
Der Tod nie prahlend in sein Reich dich ziehn,
Da ew'ge Zeilen Dauer schenken.
So lang', als Augen sehn und Menschen leben,
Lebt dies, um ew'ge Jugend Dir zu geben.
Übersetzt von Dorothea Tieck (1826)
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Sonett 18
Vergleich ich dich mit einem Sommertage?
Er ist so lieblich nicht und so gelind;
Der Sturm zerzaust des Maien Blütenhage
Und allzubald des
Sommers Pracht
verrinnt,
Oft strahlt zu heiß des Himmels Aug hernieder,
Und manchmal ist sein Goldblick trübe nur,
Und jede Schönheit weicht vom Schönsten wieder
Durch Zufall oder Wandel der Natur.
Nie aber wird dein ew'ger Sommer schwinden,
Noch jene Schönheit missen, die du hast;
Nie wird der Tod im Schattenreich dich finden,
Wann dich die Zeit in ew'ge Verse faßt.
Solang noch Menschen atmen, Augen sehn,
Lebt dies und gibt dir Leben und Bestehn.
Übersetzt von Otto Gildemeister (1871)
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Sonett 18
Soll ich vergleichen einem sommertage
Dich der du lieblicher und milder bist?
Des maien teure knospen drehn im schlage
Des sturms und allzukurz ist sommers frist.
Des himmels aug scheint manchmal bis zum brennen ·
Trägt goldne farbe die sich oft verliert ·
Jed schön will sich vom schönen manchmal trennen
Durch zufall oder wechsels lauf entziert.
Doch soll dein ewiger sommer nie ermatten:
Dein schönes sei vor dem verlust gefeit.
Nie prahle Tod · du gingst in seinem schatten . .
In ewigen reimen ragst du in die zeit.
Solang als menschen atmen · augen sehn
Wird dies und du der darin lebt bestehn.
Übersetzt von Stefan George (1909)
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Sonett
18
Soll ich vergleichen dich dem Sommertag,
Da du doch holder und beständ'ger bist?
Der Sturm entblättert oft die Blüth' im Hag,
Der Sommer selbst hat allzu kurze Frist,
Zu heiß oft scheint das Aug' am Himmelszelt,
Verdüstert oft sein liebliches Azur —
Sieh wie das Schöne oft vom Schönen fällt
Durch Zufall oder Wechsel der Natur!
Dein ew'ger Sommer aber welke nie,
Nie fallend von der Schönheit, die dein Theil;
Tod prahle nicht: sein Schatten bleiche sie —
Lebst du in meinem Lied doch jederweil!
Solang ein Herz noch schlägt, ein Auge sieht,
Leb' auch, dir Leben gebend, dies mein Lied!
Übersetzt von Alexander Neidhardt (1870)
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Sonett 18
Soll ich dich einem Sommertage gleichen?
Maßvoller bist und holder du von Sinn.
Maiknöspchen kann der rauhe Sturm erreichen,
Und Sommerfreuden fliehen bald dahin.
Des Himmels Strahlenaug, oft glüht's zu heiß,
Oft ist sein golden Angesicht umnachtet;
Was schön, entsinkt des Schönen Zauberkreis,
Weil Zufall und Natur nach Wechsel trachtet.
Dein Sommer soll einst ohne Wechsel dauern,
Der Schönheit Recht dir nie verloren sein,
Nie wandeln sollst du in des Todes Schauern,
Der Ewigkeit wird dieses Lied dich weihn.
So lang ein Mensch noch lebt, ein Auge sieht,
So lang lebt dies, und du in diesem Lied.
Übersetzt von Benno Tschischwitz (1870)
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Sonett 18
Soll ich vergleichen dich dem Sommertag?
Nein, nicht so lieblich ist er und so mild;
Wie oft der Sturm des Frühlings Knospen brach,
Und Sommer weilt nur flüchtig im Gefild!
Oft scheint des Himmels goldnes Aug' zu heiß,
Oft trübet sich sein strahlend Angesicht,
Und wie oft schwindet seiner Schönheit Preis,
Wenn Zufall oder die Natur sie bricht!
Doch nie ein Ende deinem Sommer droht,
Verlust des Schönen nie, was dir gehört;
Dich zu umschatten, rühmt sich nie der Tod,
Wenn du in ew'gen Liedern wirst verklärt;
So lang ein Athem weht, ein Auge sieht,
Lebt und verleiht dir Leben dieses Lied.
Übersetzt von Emil Wagner (1840)
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Sonett 18
Vergleich ich Dich mit einem Sommertage?
O, der ist nicht so lieb und mild wie Du.
In Stürmen schwankt die Maienros' am Hage,
Dem frühen Ende eilt der Sommer zu.
Oft glüht zu heiß des Himmels Auge droben,
Noch öfter ist getrübt sein goldnes Licht:
Und alle Schönheit ist so zart gewoben,
Der Zeit, dem Zufall widersteht sie nicht.
Dein Sommer aber, ewig soll er dauern
Mit aller Schönheit, die Du ihm verdankst;
Tod sich nicht blähn, Du gingst in seinen Schauern,
Wenn du auf Liedern in die Zukunft rankst.
So lange Menschen leben, Augen schaun,
So lang lebt dies und gibt Dir Leben, traun!
Übersetzt
von Ferdinand Adolph Gelbcke (1867)
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Sonett 18
Soll einem Sommertag' ich dich vergleichen,
Der Du viel lieblicher und milder bist?
Maiblüthen kann ein rauher Wind erreichen,
Und allzu kurz ist schönsten Sommers Frist.
Oft schaut zu heiß des Himmels Auge nieder,
Und häufig ist sein goldner Blick getrübt;
Und alles Schöne läßt von Schönheit wieder,
Ob Zufall, ob Natur ihr Werk verübt;
Doch wird Dein ew'ger Sommer nicht erblaßen,
Dein Schmuck, Dein Reiz nicht zur Vergänglichkeit,
Des Todes Schatten kann Dich nicht umfaßen,
Wenn ew'gen Wort Dir ew'ges Leben leiht.
So lang' sich Menschenbrust wird athmend heben,
Lebt dies mein Lied, und dieses giebt Dir Leben.
Übersetzt von Fritz Krauss (1882)
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