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Sonett 48
Ging ich auf Reisen, pflegt' ich jeden Kram
zu Haus vor ungetreuer Hand zu hegen,
um zu besitzen, wenn ich wiederkam,
und neu zu nützen, was mir brach gelegen.
Und dich, vor dem mein Schatz in Nichts zerstiebt,
einst Trost mir, heut imstand mich so zu quälen,
dich, den weit mehr als Schätze ich geliebt,
dich konnte jeder schnöde Dieb mir stehlen!
Nur wo du nicht bist, hielt ich dich verschlossen:
im Herzensschrein; und doch, ich fühl's, vor allen
bist du ja drinnen, wo du unverdrossen
magst ein- und ausgehn, je nach Wohlgefallen.
Daß man noch hier dich raubt, zu fürchten blieb':
um solchen Preis wird Ehrlichkeit zum Dieb!
Übersetzt von Karl Kraus (1933)
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Sonett 48
Wie sorgsam barg ich jeden kleinen Tand,
Als ich auf Reisen ging, in Kofferwände,
Damit ich unberührt von falscher Hand
Zu eignem Zweck ihn sicher wiederfände!
Und du, dem Tand nur meine Perlen sind,
Mein treuer Trost, und nun mein größter Gram auf Erden,
Du einzig höchstes Gut, das meine Seele minnt,
Kannst jedes schnöden Diebes Beute werden!
Dich schließt kein Koffer mir noch Kasten ein,
Als der, wo du nicht bist – und doch fühl ich dich drinnen –
Hier in der Brust, dem trauten Kämmerlein,
Wo du, nach freier Lust, kannst kommen und entrinnen:
Und da noch, fürcht ich, stiehlt man mir mein Lieb;
Denn um so teuren Preis wird Treue selbst zum Dieb.
Übersetzt von Johann Gottlob Regis (1836)
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Sonett 48
Wie sorgsam, da ich reiste, war mein Thun
In sichre Huth zu schließen jeden Tand,
Daß ungenutzt, für mich, er möge ruhn,
Geschützt durch Treue vor der Falschheit Hand.
Du, gegen den ein eitler Tand Juwelen,
Mein einz'ger Trost, und größte Qual mir jetzt,
Des Besten Bestes, Kleinod meiner Seelen,
Du bleib'st dem Raub der Diebe ausgesetzt.
In Eisentruhe schloß ich Dich nicht ein,
Nur wo Du nicht bist, fühl' ich auch Dein Weilen,
In meines treuen Herzens zarten Schrein,
Wo frei Du eingehn kannst, und frei enteilen.
Gestohlen, fürcht' ich, wirst Du mir selbst dort,
Denn Treue wird zum Dieb für solchen Hort.
Übersetzt von Dorothea Tieck (1826)
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Sonett 48
Wie hab' ich, als mein Weg mich fortgeführt,
Doch alles Spielwerk sorgfältig verschlossen,
Damit, zu meinem Brauch es unberührt
Bewahrt, nicht von der Falschheit würd' genossen!
Doch – gegen den Juwele Spielwerk sind –
Mein höchster Trost, mein größter Kummer heute,
Du Theuerster, der Sorge liebstes Kind!
Bist jetzt wohl jedes schlechten Diebes Beute.
Dich zu verschließen hab' ich nicht gewußt,
Doch glaub' ich dich, wo du nicht bist, zu sehen,
Im freundlichen Verschlusse meiner Brust,
Wo frei du immer kommen kannst und gehen.
Und da selbst ich dich noch nicht sicher weiß,
Da Treue diebisch wird um solchen Preis.
Übersetzt von Emil Wagner (1840)
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Sonett 48
Wie peinlich war ich! alles schloß ich ein,
Das Kleinste selber, wenn ich ging auf Reisen;
Vor Diebeshänden sollt' es sicher sein,
Mir unverloren hinter Holz und Eisen.
Und Dich, Du köstlicher als all mein Gut,
Mein höchstes Glück, mein Leid jetzt, kaum zu fassen,
Dich meine Sorge, Dich mein Herzensblut,
Dich konnt' ich jedem Dieb zum Raube lassen!
Dich schloß ich, ach! in keine Lade ein,
Als hier in meines Herzens holde Lade,
Wo Du nicht bist, - und fühle doch Dich sein –
Zu der, von der Du wandelst freie Pfade.
Und selber da, so fürcht' ich, stiehlt man Dich.
Um solchen Preis macht Treu zum Diebe sich.
Übersetzt von Ferdinand Adolph Gelbcke (1867)
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Sonett 48
Wie hab ich Alles, eh' ich fortgegangen,
Mit treustem Riegel mir verwahrt so gut,
Damit kein Falscher möcht' dazu gelangen,
Es unentweiht mir blieb' in sichrer Hut!
Doch Du, mein Bestes, gegen das Juwelen
Ein Nichts, mein höchster Trost, jetzt größtes Leid,
Du, Einzige, um die mich Sorgen quälen,
Kannst Diebesbeute werden jederzeit.
Dich hab' ich nicht in Kammern eingeschlossen,
Als wo Du nicht und doch bist; ja Dich hält
In zarter Kammer meine Brust umschlossen,
Allwo Du kommst und gehst, wie's Dir gefällt.
Und da selbst, fürcht ich, wirst Du mir gestohlen:
Denn Treu wird diebisch, solchen Preis zu holen.
Übersetzt von Fritz Krauss (1882)
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Sonett 48
Wie sorglich war ich, eh ich zog von hinnen,
All meinen Tand in Riegelschluß zu tun,
Daß ungebraucht mir zum Gebrauch er drinnen
Verwahrt vor Diebeshänden möge ruhn!
Du aber, gegen den mein Schatz nur Tand,
Kostbarer Trost, nun höchster Schmerz der Liebe,
Du meine einz'ge Sorge, reichstes Pfand,
Bleibst da zur Beute jedem frechen Diebe.
Dich schloß ich ja in keinen Kasten ein
Als nur – wo du nicht bist und dennoch bist –
In meine Brust, in jenen zarten Schrein,
Von wannen frei dein Gehn und Kommen ist;
Und dort selbst, fürcht ich, stiehlt man dich, mein Lieb.
Denn solch ein Schatz macht Ehrlichkeit zum Dieb.
Übersetzt von Otto Gildemeister (1871)
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Sonett 48
Wie achtsam war ich · ging ich aus dem haus!
Jed kleines ding verriegelte ich gut ·
Schloss es zu meinem nutz vom nutzen aus
Unehrlicher hände · in der treue hut.
Doch du der tand aus meinen schätzen macht ·
Heut grösster gram · du trost vor allem lieb ·
Bestes vom teuren · meine einzige acht ·
Du wardst als beute jedem schnöden dieb!
Dich schloss ich nicht in andre truhe ein
Als wo du nicht bist - fühl ich auch du bist -
Drinnen in meines busens edlem schrein . ..
Du kommst und gehst wie dir gefällig ist.
Doch stiehlt man dich auch dort - mir bangt · es weise
Sich treue selbst als dieb bei solchem preise.
Übersetzt von Stefan George (1909)
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Sonett 48
Zog sonst ich in die Ferne, wie bedacht
Vertraut' ich nichtgen Tand dem treusten Schrein
Und schloß, vor falscher Hände Brauch bewacht,
Zu eignem Brauche dort ihn sicher ein.
Du, (gegen den mein Theuerstes nur Tand,)
Werthvollster Trost und schwerste Pein zugleich,
Kostbarstes, dem mein Sorgen zugewandt,
Jedweden Dieb machst du als Beute reich.
Dich barg ich nicht in einer andern Truh,
Als wo du nicht bist – fühl ich schon, du bist
Im Herzen mein verwahrt; ich schloß es zu,
Du gehst und kommst nach Wunsch zu jeder Frist;
Doch hier noch, fürcht ich, wirst du mir entrissen,
Um solchen Preis stiehlt selbst ein treu Gewissen.
Übersetzt von Benno Tschischwitz (1870)
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