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Sonett 53
Aus welchem Stoff hat dich Natur gemacht,
daß dich umschweben ungezählte Schatten?
Ist jedem sonst nur einer zugedacht,
vermagst du allen alle zu erstatten.
Wenn man Adonis bildet, ist das Bild
nur schwaches Abbild deiner Lieblichkeit;
und Helena, von Strahlenglanz umhüllt,
du bist es, neu gemalt im Griechenkleid.
Der Frühling und des reifen Sommers Segen:
der bietet deiner Schönheit Schatten nur
und der nur Mangel deiner Fülle wegen;
in jeder Form besiegst du die Natur.
Der ihr in allem äußern Glanze gleicht,
an Treue bleibst du gleichwohl unerreicht.
Übersetzt von Karl Kraus (1933)
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Sonett 53
Was ist dein Stoff? Woraus bestehest du,
Daß Scharen fremder Schatten dich umschweben?
Gehört doch nur ein Schatten jedem zu:
Du einzelner kannst jeden Schatten geben.
Beschreibt Adonis, und das Konterfei
Gleicht dürftig dir: haucht auf Helenes Wangen
Den ganzen Zauberschmelz der Malerei,
Und neu wirst du im Schmuck der Griechin prangen.
Rühmt Frühling oder Jahres Überfluß,
Sie sind die Schatten deiner Schönheit bald,
Bald deines Reichtums fröhlicher Erguß:
Dich kennen wir in jeder Wohlgestalt.
Ein Teil ist dein von jeder äußern Zier,
An Treu nur gleichst du keinem, keiner dir.
Übersetzt von Johann Gottlob Regis (1836)
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Sonett 53
Was ist Dein Stoff, woraus schuf Dich Natur
Daß tausend fremde Schatten Dich umgeben?
Ein Schatten folgt, ein Bild gleicht jedem nur,
Du Einzelner, schenkst jedem Bilde Leben.
Zeigt mir Adonis: Aermlich abgemalt
Hat ihn nach Deinem Bild des Künstlers Hand,
Wenn Liebreiz von Helenens Wange strahlt
Erscheinst Du neu im griechischen Gewand.
Vom Frühling sprecht, der Füll' im spätern Jahr,
Der erst' erscheint als Deiner Schönheit Bild,
Die zweite stellt uns Deine Güte dar,
In jeder holden Form bist Du erfüllt.
Was schön läßt Deiner Schönheit sich vergleichen
Doch jede Treu' muß Deiner Treue weichen.
Übersetzt von Dorothea Tieck (1826)
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Sonett 53
Aus welchen Stoffen schuf dich die Natur,
Daß tausend fremde Schatten dich begleiten?
Ein Schatten folgt uns, jedem einer nur;
Dir folgt der Schatten aller Herrlichkeiten:
Beschreibt Adonis, und das Konterfei
Ist deinem Bilde dürftig nachgeahmt;
Schmückt Helena in feinster Malerei,
Du bist's, in Griechentracht neu eingerahmt.
Lobpreist den Frühling und des Herbstes Spenden:
Der Lenz ist deiner Schönheit Schattenbild;
Der Herbst gleicht deinen gabereichen Händen;
Du lebst in allem, was uns köstlich gilt.
Jedwede Anmut schmückt dich, alt' und neue,
Doch gleichst du keinem, keiner dir, an Treue.
Übersetzt von Otto Gildemeister (1871)
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Sonett 53
Was ist dein Sein? aus welchem Stoff bereitet,
Daß gern sich dir Millionen Schatten weih'n?
Von einem Schatten Jeder ist begleitet,
Nur einzig du kannst Jedem Schatten leih'n.
Adonis mal', und das Gebilde spendet
Ein ärmlich Gleichniß deines Wesens nur;
Der Schönheit Kunst, auf Helen's Wang verschwendet,
In Griechentracht, zeigt deine holde Spur.
Vom Frühling sprich und von des Herbstes Fülle;
Die Schönheit borgt von dir der eine sich,
Es zeigt der andre deiner Güte Hülle: -
In jeder Segensbildung kennt man dich.
All' äußre Huld, sie wurde dir zu eigen:
Wer kann ein Herz so treu wie deines zeigen?
Übersetzt von Emil Wagner (1840)
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Sonett 53
Aus welchen Stoffen bist Du, die gestatten,
Daß tausend fremde Schatten Dir sich weihn;
Wo Jedermann hat, Jeder, einen Schatten,
Du, Einer nur, kannst jeden Schatten leihn?
Adonis schildre, - und die Züge malen
Nur schwach Dich ab; was Schönheitskunst erfand,
Laß' Helena von Stirn und Wange strahlen;
Du bist's, gemalt in griechischem Gewand.
Sprich von dem Frühling, von des Jahres Segen:
Der hüllt in Schatten Deiner Schönheit sich,
Im andern kommt uns Deine Güt' entgegen –
In jeder schönen Form erkennt man Dich.
In jedem äußern Reiz bist Du auf's neue;
Doch gleichst Du Keinem, Keiner Dir, an Treue.
Übersetzt von Fritz Krauss (1882)
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Sonett 53
Was war der stoff der dich gebildet hatte ·
Dass tausend fremde schatten dich umreihn?
Ist jedem dinge · jedem · nur Ein schatte:
Kannst du · der Eine · tausend schatten leihn?
Beschreib Adonis · und die schilderei
Ist eine schwache nachahmung von dir . .
Helenens stirn leg alle reize bei ·
Und du bist neu gemalt in griechischer zier.
Von frühling sprich · von früchtezeit im jahr -
Eins lässt den schatten deiner schönheit sehn ·
Das andre macht uns deine güte klar:
Aus jeder teuren form willst du erstehn . .
Kein äussrer reiz der nicht an dir erfreue!
Doch gleichst du keinem · keiner dir · an treue.
Übersetzt von Stefan George (1909)
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Sonett 53
Aus welchem Stoffe schuf Dich die Natur,
Daß Millionen Formen an Dir kleben?
Sonst hat doch jedes Wesen Eine nur,
Du ganz allein kannst jede Form Dir geben.
Adonis schildre, und alsbald steht da
Dein schwachgetroffen Bild zur Augenweide;
Mit Reizen schmück' die Wang' der Helena, -
Du bist es, hingemalt im griech'schen Kleide.
Vom Frühling, von des Jahres Fülle sprich:
Nur Deiner Schönheit Abglanz ist der Eine,
Die Andre zeigt als Deine Großmuth sich;
Was schön und herrlich ist, Du bist's, ich meine.
Dein jede Schönheit, wessen sie auch sei!
Doch Du gleichst Keinem, Keiner Dir an Treu.
Übersetzt von Ferdinand Adolph Gelbcke (1867)
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Sonett 53
Was ist dein Wesen, und aus welchen Stoffen
Wardst du, dem tausend sondre Schatten eigen?
Da einer sonst bei Einem wird getroffen;
Du, Einer nur, kannst jeden Schatten zeigen.
Mal' den Adonis, und sein Bildniß bleibt
Armselig hinter dir, wird's dir verglichen;
Wenn höchste Kunst die Helena beschreibt,
Bist du's als Grieche, nur mit neuen Strichen.
Vom Frühling sprich: und von des Herbstes Schätzen
Der ein' ist Schatten deiner Schönheit nur,
Der andre deiner Großmuth gleich zu setzen;
Du zeigst jedweden Segen der Natur.
Von jeder Zier hast du ein Theil erreicht,
Doch keiner lebt, der an Bestand dir gleicht.
Übersetzt von Benno Tschischwitz (1870)
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Sonett 53
Aus welchem Stoffe magst geformt du sein,
Der tausend Schatten wirft? Ein jeder hat
Sonst einen Schatten nur — und du allein
Wirfst einen über Jedes, was dir naht.
Mal' ich Adonis, ist das Bild nur schwach
Nach dir gezeichnet; schmück' ich Helena
Mit jedem Reiz, wie Kunst es nur vermag,
Stehst du nur neu in Griechenweise da.
Sprech' ich vom Frühling und vom Herbst zugleich,
Zeigt jener deiner Schönheit Schatten nur,
Der Herbst ist kaum wie du an Güte reich
Du prangst in jedem Schmucke der Natur.
Theil hast an jedem äussren Reiz du hier,
Jedoch an Treue gleichet Niemand dir.
Übersetzt von Alexander Neidhardt (1870)
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