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Sonett 75
Was Brot dem Leben, was lauwarmer Regen
Dem Erdreich ist, das bist du meinem Geist:
Und solches Kämpfen führ' ich deines Friedens wegen,
Wie zwischen Geizigen und ihrem Gut sich weist.
Bald jubl' ich im Genuß, bald muß ich sorgen,
Ob nicht ein Dieb mein Kleinod mir entrückt:
Bald wär ich gern allein mit dir geborgen,
Bald wollt' ich, jeder säh was mich entzückt.
Von deinem Augenschmaus bisweilen vollgefüllt;
Um einen einz'gen Blick dann wieder wie verschmachtet,
Auf keine Lust bedacht, von keinem Glück gestillt,
Das nicht von dir kommt oder zu dir trachtet.
So flutet's Tag für Tag, und so gebricht's:
Ich prass' und darb' im Allen, und im Nichts.
Übersetzt von Johann Gottlob Regis (1836)
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Sonett 75
Was Brot dem Leibe, bist du meiner Seele,
was dürrer Saat der Regen, bist du mir,
der ich um deine Ruh mich rastlos quäle,
wie es dem Geizhals geht mit seiner Gier.
Bald möcht' ich prahlend meinen Schatz genießen,
bald zittr' ich, daß die Zeit ihn bald mir stiehlt;
bald wünsch ich, ganz mit dir mich einzuschließen,
bald, daß mein Glück sich aller Welt empfiehlt.
Bald schwelgt mein Blick in deiner Schönheitsfülle,
um bald nach deinem Blicke zu verschmachten,
und keine andre Lust bleibt Wunsch und Wille,
als deiner Lust beseligt nachzutrachten.
So fühl ich täglich, wechselnd auf der Stelle,
mich bald im Himmel, bald mich in der Hölle.
Übersetzt von Karl Kraus (1933)
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Sonett 75
Du bist der Seele, was das Brot dem Leben,
Was dem Gefilde warme Regenflut;
Um deine Ruh ist in mir Kampf und Beben,
Wie in dem Geizhals um sein Gold und Gut;
Bald stolz als Eigentümer, bald voll Pein,
Ob nicht ein Dieb nach seinem Schatze trachte;
Bald scheint das best', allein mit dir zu sein,
Bald besser, daß die Welt mein Glück beachte.
Bald schwelg ich recht mich satt an deinen Zügen,
Und bald um einen Blick verschmacht ich schier;
Ich hab und ich verfolge kein Vergnügen,
Als was ich hab und nehmen muß von dir,
So daß ich hungre oder Prasser bin,
In allem schwelgend oder alles hin!
Übersetzt von Otto Gildemeister (1871)
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Sonett 75
Was Speise dem Leben, bist der Seele Du;
Was Thau dem durst'gen Land am Frühlingsmorgen
Um Deinethalb entflieht mir Fried und Ruh,
So macht das Geld dem Geiz'gen Gram und Sorgen.
Jetzt stolz auf den Besitz, und Zweifelspein
Quält jetzt ihn, Trug könn' ihm den Schatz entwinden
Bald dünk' ich glücklich mir mit Dir allein
Bald mögt' ich aller Welt die Lust verkünden.
Zuweilen sätt'g ich mich am vollen Blick
Dann kommen trübe, sehnsuchtsvolle Stunden,
Ich hatte nie, und hoff' auch nie ein Glück,
Als nur durch Dich, was ich in Dir gefunden.
Befried'gung wechselt so und schmerzlich Sehnen,
Bald ganz beglückt, und bald in heißen Thränen.
Übersetzt von Dorothea Tieck (1826)
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Sonett 75
So bist du meinem sinn wie brot dem leibe ·
Wie süss gewürzter regen ist fürs feld.
Ich der ums glück in dir in kämpfen treibe ·
Wie es dem geizhals geht mit seinem geld ·
Bin bald wie ein geniesser stolz · bald bang
Dass diebisches alter seine schätze raube.
Bald wünsch ich dich mir zum allein-empfang ·
Bald möcht ich dass die welt mein glück auch glaube.
Oft schwelg ich voll in deinem angesicht
Und dann verhungr ich rein um einen blick.
Und andre lust besitz und such ich nicht
Als mich aus dir heisst nehmen das geschick.
So bin ich täglich trunken und verdorrt ·
An allem schlemmend oder alles fort.
Übersetzt von Stefan George (1909)
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Sonett 75
Was Brod dem Leben ist, was Frühlingsregen
Dem Erdreich, bist Du den Gedanken mein.
Um Deine Ruh' muß solchen Streit ich pflegen,
Wie nur der Geizhals um die Schätze sein,
Der bald mit ihnen prahlt, bald mit Entsetzen
Der Schlingen denkt, die seinem Gold gestellt:
So möcht' ich mich an Dir bald heimlich letzen,
Bald Deiner mich erfreun vor aller Welt.
Bald trink' ich ganz mich satt an Deinen Zügen,
Dann dürst' ich ach! wie heiß nach einem Blick,
Und habe und begehre kein Vergnügen,
Als was Du gabst und geben kannst, mein Glück!
So hungr' und schwelg' ich Tag für Tag und muß
Bald Mangel leiden und bald Überfluß.
Übersetzt von Ferdinand Adolph Gelbcke (1867)
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Sonett 75
Was Brod dem Leben, was der würz'ge Regen
Dem Boden ist, bist meinem Denken Du,
Und in mir kämpft es Deines Friedens wegen,
Wie einem Geiz'gen raubt sein Schatz die Ruh':
Jetzt als Besitzer stolz, und dann voll Sorgen,
Daß ihm das dieb'sche Alter stiehlt sein Gut;
Jetzt gern mit Dir in Einsamkeit verborgen,
Dann rufend alle Welt im Übermuth;
Oft Deines Anblicks voll bis zum Genügen,
Und dann nach einem Blick verschmachtend schier;
Besitzend und verfolgend kein Vergnügen,
Als was Du gabst und man muß nehmen Dir.
So bin ich Noth und Sätt'gung täglich leidend,
Verschlingend Alles, oder Alles meidend.
Übersetzt von Fritz Krauss (1882)
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Sonett 75
Wie Lebensnahrung bist du meinem Herzen,
Wie duft'ger Regen, der das Land durchdringt;
Für deinen Frieden kämpf' ich gern mit Schmerzen,
Dem Geize gleich, der mit dem Reichtum ringt:
Jetzt stolz sein Gut genießend, zitternd dann,
Daß schnöde Zeit den Schatz ihm könnte stehlen;
Bald froh, daß insgeheim ich seh'n dich kann,
Bald möcht' der Welt ich meine Lust erzählen.
Bald schwelgt mein Auge, deiner Nähe voll,
Bald muß um einen Blick es darbend schmachten;
Mir ward kein Gut, als deiner Liebe Zoll,
Noch möcht' ich je nach Andrem gierig trachten.
So wechselt täglich Darben stets mit Prassen,
In Fülle selbst bin dürstig ich gelassen.
Übersetzt von Emil Wagner (1840)
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Sonett 75
Was Brot dem Leib, bist meiner Seele du,
Und was dem Grund ein Schauer, mild und hold,
Und Zwiespalt ist in mir ob deiner Ruh'
Wie zwischen Geizigen und ihrem Gold.
Jetzt freu' ich stolz mich, dass so ganz du mein,
Dann bangt mir, dass die Zeit dich mir entrücke;
Jetzt wünsch' ich nur mit dir allein zu sein,
Dann, dass die Welt mich schau' in meinem Glücke.
Ganz trunken deines süßen Anblicks heut,
Um einen Blick verschmachtend morgen fast,
Empfind' ich weder je, noch such' ich Freud',
Die du allein mir nicht zu geben hast.
Und also darb' und schwelg' ich Tag um Tag,
Jetzt überreich und bettelarm hernach.
Übersetzt von Alexander Neidhardt (1870)
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Sonett 75
Was Kost dem Leben, bist du meinen Sinnen,
Auch was dem Feld ein sanftgedämpfter Regen;
Um Ruh mit dir muß ich den Kampf beginnen,
Wie Schatz und Geizhals ihn zu ringen pflegen.
Noch eben stolz in dem Genuß und gleich
Besorgt, daß karge Zeit sein Gut ihm raubt,
So fühl ich mich allein mit dir schon reich,
Doch reicher, wenn die Welt mein Glück mir glaubt.
Bisweilen schwelgend in des Schauens Lust,
Und bald verschmachtet, eines Blickes wegen,
Besitzt und heischt kein Labsal meine Brust,
Wenn du allein es mir nicht bringst entgegen.
So darb ich denn und prasse Tag um Tag,
Jetzt reich an allem, völlig arm hernach.
Übersetzt
von Benno Tschischwitz (1870)
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