Die Schönheit der Geliebten / des Geliebten

in der orientalischen Dichtung
 

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Sagen und Bilderlehre der persischen Dichter
 

Die eigentliche religiöse Mythologie der Perser also, und aller anderen gebildeten mohammedanischen Nationen, wie der Araber und Türken, beruht einzig und allein auf dem Worte Allah's und des Propheten, das ist: auf dem Koran, der von Mohammed im Nahmen des Himmels niedergeschriebenen Offenbarung, der heiligen Schrift des Islams, und auf der Sunna, der, später schriftlich aufgezeichneten, mündlichen Überlieferung des Propheten. Da die Grundlehre des Islams die Einheit Gottes ist, und reiner Theismus als Vernunftreligion alle Mythologie ausschließt; so beschränkt sich der ganze Mythos des Islams nur auf den geringen Zusatz von Wundern und biblischen Geschichten, womit Mohammed den Koran ausgeschmückt, und denen die ersten Imame oder Kirchenväter des Islams höheren Sinn und allegorische Bedeutung untergelegt haben. Die neue persische Poesie würde verarmt seyn, wenn ihr keine andern Hülfsquellen zu Gebothe gestanden hätten. Sie entschädigte sich für diese Armuth durch den Reichthum der ältesten fabelhaften Geschichten und uralter Dichtung, welche todte Wesen der Schöpfung vorzugsweise vor anderen mit Seele und Sprache, oder andere in der Natur gar nicht bestehende, hervorgebracht hat. Diesen Schatz bewahrten die alten Geschichten des Reichs, und nachdem dieselben untergegangen der Auszug derselben, das Schahname, Firdussi's unsterbliches Meisterwerk. Die Quellen also des religiösen und historischen Mythos Persiens sowohl, als des ganzen mohammedanischen Asiens, sind der Koran und das Schahname, nach denen wir hier nur einen kurzen Umriß der vornehmsten, in allen Dichtern häufig vorkommenen heiligen und geschichtlichen Sagen aufstellen, und denselben mit den ebenfalls allgemein angenommenen poetischen Allegorien beschliessen wollen.

Die Schöpfungsgeschichte sowohl als die anderen aus der Bibel entlehnten Geschichten der Propheten sind häufig mit ganz eigentümlichen Zügen und besonderen Anekdoten vermischt, welche durch die ersten Imame erläutert und erweitert, neue, von unserer biblischen Geschichte ganz verschiedene, Historien bilden, deren Kenntniß aber zur Verständlichkeit der immer wiederkehrenden Anspielungen sowohl in Gedichten als Geschichten, dem europäischen Leser unerläßlich ist. Diese Abweichung beginnt mit der Erschaffung der Welt und geht die Geschichte von vier und zwanzig Propheten herunter bis Mohammed, das Siegel des Prophetenthums. Schon beym Falle Adams spielt der Pfau, welcher den Satan unter seiner Zunge ins Paradies trägt, eine eben so große Rolle als die Schlange, und die Frucht der Erkenntniß ist nicht der Apfel, sondern das Korn, das die Menschen seitdem im Schweiße ihres Angesichtes bauen. Daher das Korn nicht nur als Nahrungsquell, sondern auch im allegorischen und mystischen Sinne zu großen Ehren gekommen. Die Erbsünde aller Begier und Leidenschaft trägt der Mensch als schwarzes Korn in seiner Brust, das dort beständig keimt und wuchert, und das nur dem Propheten vom Engel Gabriel entnommen wird. Im mystischen Sinne ist das Korn die Wissenschaft der Sofis, die um dieses von ihnen sogenannte grüne Korn alle Güter der Welt für gering achten. Der Hüther des Paradieses ist Riswan, das Urbild himmlischer Schönheit, die sich seit Adams Fall nur im ägyptischen Joseph auf Erden geoffenbaret hat. Der Lieblingsbaum des Paradieses ist nicht wie bey uns die Ceder, sondern der Tuba oder Lotosbaum; Milch und Wasser strömt aus den Quellen Kewßer und Selsebil, rein wie Krystall und Perlen, duftend nach Moschus und Ambra.

Die Huris, Mädchen von blendend weisser Gesichtsfarbe, mit funkelnden schwarzen Augen und von unverwüstbarer Jungfräulichkeit, sind die Gespielinnen der Seligen, die mit ihnen auf goldenen Polstern, in herrlichen Köschken, oder auf grünen Matten im Schatten der Palmen, und beym Gemurmel unterirdischer Ströme und Wasserfälle ewiger Freuden genießen. Diese Huris, die aus den Horen oder Charitinnen entstanden zu seyn scheinen, ursprünglich aber des Apsaras der Inder nachgebildet worden, sind keineswegs zu vermengen mit den Peris oder den weiblichen Genien der alten persischen Religionslehre, deren der Koran nicht erwähnt, indem er die Huri an ihre Stelle gesetzt, die aber dennoch von den Dichtern als luftige zarte Schönheiten, welche die Regionen der Luft bevölkern, bey Ehren gehalten worden sind, und desto mehr verdienen,  daß wir ihrer noch einmahl weiter unten erwähnen, weil sie als Fairies oder Feen nach Europa eingewandert sind. Ebenso wenig vermenge man die acht Paradiese (die acht christlichen Seligkeiten) mit den neun astronomischen Himmeln, oder den sieben planetarischen Sphären, wo die Gestirne gleichsam nur ein leuchtender Abdruck der ewigen Schrift sind, welche im höchsten Himmel die ewige Feder, auf der ewigen Tafel des Verhängnisses, für alle Zeiten und Welten niedergeschrieben; der gestirnte Himmel ist der Thron Gottes, den Engel tragen und bewachen, und die Dämonen, welche manchesmahl bis an die Zinnen der Himmelsburg emporklimmen, mit ihren Lanzen zurückschleudern, so daß sie sichtbar als Sternenschnuppen den Streif ihre Falles bezeichnen.

Außer den vier Engeln, Trägern des Throns (Mokarribin, Cherubim), welche Thiergesichter haben wie beym Propheten, sind die vornehmsten der Engel Gabriel, Michael, Israfel und Israel. Der erste, der Bothe göttlicher Offenbarungen an die Propheten, heißt auch der heilige Geist, der himmlische Pfau, der höchste der Engel. Der letzte ist der Würge- oder Todesengel, der jedem Menschen seine Seele abfordert und am Tage der Auferstehung in die Posaune stößt. Die Engel der Winde, der Ströme, der Berge, des Feuers, bevölkern Himmel und Erde, sie lobpreisen immerwährend Gott stehend und fliegend und sitzend und knieend; im höchsten Himmel aber halten sie täglich siebenmahligen Umgang um das Zelt Gottes, das aus einem einzigen Rubine geformt, dem heiligen Hause Kaaba zu Mekka zum Muster gedient hat. Zur Kaaba wenden sich die Gesichter der Rechtgläubigen beym Gebethe, und um dieselbe halten die Pilger siebenmahligen Umgang, wie die Engel im Himmel um das Allerheiligste des Herrn. Alle Himmel durchflog Mohammed der Prophet in seiner nächtlichen Himmelfahrt auf dem Glanzrosse (Aldorrak), das die Schwingen vom Vogel und das Gesicht vom Menschen hat. Er begann seinen Ritt im Tempel zu Jerusalem, und wiewohl er in jedem Himmel sich mit den Propheten seiner Vorfahren besprach, vollendete er ihn dennoch so schnell, daß, als er in sein Bett zurückkam, das Wasser der Kanne die er im Auffluge umgestoßen hatte, noch nicht ausgeronnen war. Dies Himmelfahrt, die allenfalls als eine Erscheinung im Träume ausgelegt werden kann, wird von den Meisten, besonders aber von den Dichtern, buchstäblich genommen, und die Beschreibung oder der Preis derselben macht beym Lobe des Propheten, das unter die bey jedem größeren Dichterwerk unerläßlichen Prologomena gehört, einen Hauptbestandtheil aus.

 Diese Himmelfahrt ist, wenn sie buchstäblich genommen wird, auch das einzige Wunder Mohammed's, dessen er selbst im Koran erwähnt, indem er sonst mehr als einmahl darin im Nahmen Gottes ausspricht, daß es zur Beglaubigung seiner himmlischen Sendung keines andern Zeichens, als der Verse des Korans, dieser wahren Wunderzeichen des Wortes, bedürfe. Wiewohl aus eben diesem Grunde vernünftige Ausleger des Korans auch die Himmelfahrt als bloße Erscheinung deuten, so halten sich die Dichter doch um so fester daran, des poetischen Stoffes willen, und sie macht einen wesentlichen Theil der Anrufung des Propheten, des Siegels aller vorhergehenden. Unter diesen Propheten sind mehrere, die nur den Arabern und nicht den Hebräern bekannt waren, selbst die bekannten aber werden mit Anspielungen und Beziehungen, die wir in unserer biblischen Geschichte nicht kennen, erwähnt. An der Spitze der ersten stehen Hud und Saleh, zwey alte arabische Propheten, wovon jener dem Stamme Aad, dieser dem Stamme Themud den wahren Glauben predigte, ohne anderen Erfolg, als den eines vertilgenden Zorngerichts. Das Haupt des Stammes Aad war Schedad (Sat ol amad), stolz auf seine Säulen, d. i. auf die Zahl seiner Zelten, der ein irdisches Paradies in den Garten von Irem anlegte, und hiedurch der vom Propheten verheissenen himmlischen Freuden spotten wollte. Die Hand des Todesengels berührte ihn ehe noch sein Fuß dasselbe betrat, und es ward mit allen seinen Schätzen von dem Sande der Wüste begraben. Anspielungen auf die Schätze und Freuden dieses irdischen Paradieses sind häufig in allen Dichtern und Geschichtsschreibern des Morgenlandes.

Saleh predigte dem Stamme Themud am östlichen klippigen Ufer des rothen Meeres auf der Straße nach Mekka. Sie tödteten sein Kameel, daß er aus dem Felsen hervorgerufen, und der Samum tödtete alles Leben weit umher. Noch zeigt man die Felsengrotten an diesem Gebirge als die Wohnsitze des Stammes Themud; noch beschleunigen die Pilgerkarawanen, wenn sie hier durch nach Mekka ziehen, ihren Schritt unter lautem Geschrey, um das fürchterliche Geschrey des unschuldig erschlagenen Prophetenkameels, das in diesem wüsten Thale die Wanderer erschreckt, zu übertönen, und noch ist diese seltsame merkwürdige Gegend durch tausend Hindernisse und Gefahren allen europäischen Reisenden, selbst dem unermüdeten Seetzen, der doch zweymahl in Mekka gewesen, unzugänglich geblieben. Beyde dieser Propheten scheinen bald nach der Sündfluth gelebt zu haben, die nach dem Koran ihren Ursprung aus einem Feuerherde nahm, woraus das Wasser unaufhörlich zuströmte bis es die ganze Erde überschwemmte. Nach der Sündfluth begann der Sternendienst der Chaldäer, und Abraham, der demselben göttliche Ehre zu erweisen und das Feuer anzubethen sich weigerte, ward auf Nimrod's Befehl in einen ungeheuren Holzstoß geworfen, wo mitten im Feuer Rosen blühten und Quellen rieselten, und er den Herren lobpries (wie die drey Knaben im Feuerofen). Häufig wird er genannt als Erbauer der Kaaba, als Zeuge der Einheit Gottes; aber öfter noch Jakob, wiewohl nicht so viel in Beziehung auf sich selbst, als auf seinen Sohn Joseph oder Jussuf, dessen Geschichte eines der schönsten Kapitel des Korans, nämlich das XII, einnimmt, und ganz gewiß, wie der Koran sie selbst nennt, die schönste der Geschichten zu heißen verdient. Da dieser Stoff von den ersten romantischen Dichtern des Morgenlandes um die Wette behandelt worden, so wird an seinem Orte umständlicher hievon zu reden sich Gelegenheit darbiethen. Hier sey es genug darauf aufmerksam zu machen, daß Jussuf als das Ideal männlicher Schönheit und Vollkommenheit im ganzen Morgenlande gilt, und seine Liebesgeschichte mit Suleicha von dem Mystikern durchaus allegorisch gedeutet wird auf die Liebe der höchsten Schönheit, der höchsten Wahrheit, des höchsten Gutes, welche der sinnlichen Liebe der Menschen unerreichbar, denselben nur dann erst zu Theil wird, wenn sie wie Suleicha bekehrt und weise, durch göttliche Gnade wieder neugeboren sind. Nach dieser Ansicht oder durch die andern aus der biblischen Geschichte bekannten Begebenheiten seines Lebens, ist Jussuf den Morgenländern der schönste Jüngling, der keuscheste Liebhaber, der beste Erzähler, der scharfsinnigste Ausleger, der vollkommenste Dollmetsch, der weiseste Statthalter, der wahrhaftigste Prophet, und heißt daher vorzugsweise Essidik oder der Wahrhaftige.

Moses und Jesus erscheinen beyläufig auf derselben Stufe der Würde, beyde als Gesetzgeber und Religionsstifter, beyde als wunderthätige Propheten. Die wunderthätige weiße Hand des Moses, der damit die Blendwerke der Gaukler und die Macht des Drängers vernichtete, der wunderwirkende Hauch des Herrn Jesus, der damit Todte zum Leben erweckte, und aus Thon geformten Vögeln das Leben einhauchte, der aber nach der Aussage des Korans nicht wirklich gekreuzigt, sondern vor der Kreuzigung in den Himmel aufgenommen ward, kommen alle Augenblicke vor. Den letzten, der im dritten Himmel wohnt, läßt Hafis sogar nach der Weise seiner Lieder mit Sohre, dem weiblichen Genius des Abendsterns, den Reigen tanzen. Gleichzeitig mit Moses lebte der Prophet Chiser (der Allbegrünende), von dem Einige behaupten, daß es derselbe mit Elias gewesen, Andere ihn aber gänzlich davon unterscheiden. Er ist eine der Hauptpersonen der orientalischen Mythologie, der hülfreiche Genius der Unterdrückten, der Genius des Frühlings, der Vermittler (wie der Mithras der alten Perser), der Retter in Gefahr, der Ermahner der Fürsten, der Rächer des Unrechts, der Wegweiser durch die Wüsten des Lebens, und endlich der ewig junge Hüther des Quells des Lebens. Als solcher verjüngt er Menschen und Thiere und Pflanzen, ertheilt verlorene Schönheit wieder, und bekleidet im Frühling die erstorbene Erde mit frischem Grün. Grün ist seine Lieblingsfarbe, in strahlendes Grün ist er gekleidet, und im Lande der Finsterniß, wo der Quell des Lebens pulsend rauscht, verkündet denselben grünes Licht, das ihn umgibt, den Suchenden. Ewige Schönheit, Jugend und Weisheit spendet seine Quelle den Trinkenden; was Wunder wenn denselben alle Sterblichen mit brennender Begierde verfolgen, wiewohl ihn noch keiner, selbst nicht Alexander der Welteroberer, welcher deßhalb einen Zug ins Land der Finsterniß unternahm, gefunden. Auf verschiedenen Wegen suchen ihn die Menschen als das höchste Ziel ihrer Wünsche, bald in Gold, bald in Ehren, bald in Liebesgenuß, und unbefriediget versplittern sie das Leben, ohne zum wahren Quell desselben zu gelangen, worunter nach den Philosophen von der äußeren Lehre, die praktische Jugend, nach den Sofis aber, oder den Philosophen des inneren Sinns, die reine Liebe Gottes, als das sicherste Gut und als der wahre Quell, verstanden wird, woraus der alte Mensch, verjüngt und wiedergeboren, zu einem neuen Leben aufsteht. Ein weit höherer Sinn als der gewöhnliche erotische Dichter, welche den Lebensquell im Munde des Geliebten und das ihn umgebende zarte Grün in den weichen Flaumen des jungen Bartes suchen.

Wie Chiser der geheimnißvollste Prophet in der Welt der Erscheinungen, so tritt Salomon, als der Mächtigste derselben in der wirklichen Welt auf. Prophet, Weiser und König, beherrschte er nicht nur die Menschen, sondern alle Reiche der Natur, Fische, Vögel und vierfüßige Thiere, und selbst die Dämonen, die ihm als Handlanger zu den großen Gebäuden die er in Jerusalem, Tadmor und Persepolis aufführte, und deren ungeheure Ruinen die Welt noch heute anstaunt, dienen mußten. Der Ostwind war sein Reitpferd, und der Widhopf sein Wegweiser in Wüsten, sein Bothe im Briefwechsel mit Balkis der weisen Königin von Saba. Das Zeichen seiner Herrschaft und Begewaltigung über Menschen, Thieren und Dämonen war das Siegel Salomons, der Zauberring, vor dessen Kräften der Erde und die Hölle erzitterte. Als Repräsentant der Menschen an seinem Hofe schlichtete die Geschäfte derselben Aßaf der Dichter und Großwesir, dessen Nahmen seitdem das höchste Lob aller regierenden Wesire geblieben; als Repräsentanten unter den Vögeln sah man dort das letzemahl unter den Menschen Simurg oder Anka, den weisen Vogelgreis, der sich seitdem ins Gebirge Kaf zurückgezogen, wo er als Staatsmann in der Einsamkeit lebt. Der Koran erwähnt desselben zwar nicht, aber desto umständlicher das Schahname, wo also auch schicklicher von ihm ein Wort gesagt werden soll. Salomon war schon todt, als die Dämonen, die sich seines Rings bemächtiget hatten, noch vierzig Tage fortregierten, während denen sie seinen Nahmen mißbrauchten, um magische Bücher unter das Volk zu bringen, und dasselbe auf solche Art zu verführen. Erst am vierzigsten Tage, als ein Holzwurm den Stab, worauf gestützt sie Salomon täglich dem Volke als auf dem Throne sitzend zeigten, durchfressen, und derselbe mit dem Leichnam zusammenfiel, ward der Betrug offenbar.

Alles bisher aus dem Koran angeführte Fabelhafte gilt, als auf Gottes Wort gegründet, über allen Zweifel erhaben. Von minderem Ansehen in religiöser Hinsicht, wiewohl vom allergrößten in historischer, sind die Fabeln des Schahname. Es ist aber hier nöthig zu warnen, daß man sich hüthe nach Herbelot's Angabe allen von ihm aus türkischen sowohl als persischen Manuscripten zusammengeraften Fabeln gleichen Grad von Ansehen und poetischer Glaubwürdigkeit beyzumessen. Herbelot schöpfte dieselben nicht allein aus dem Schahname, sondern auch aus Nachahmungen desselben, aus den türkischen prosaischen Werken: Suleimanname, Kahrimanname, Iskendername, Tahumraßname, Huschengname, Kuschtaspname, Kurschaspname, usw. welche aber, die beyden ersten ausgenommen, eben so unbekannt und ohne Credit sind, als das Schahname berühmt und angesehen.

Vor Adam herrschten auf Erden Dschan Ben Dschan, die Geschlechter der Dschinnen (Genien), deren schon der Koran als aus einem Feuerfunken geschaffen erwähnt. Ihre Herrscher hießen Salomonen und waren Herren der Welt; als Rathgeber stand ihne bey Simurg oder Anka, der weise Vogelgreis, der seitdem noch am Hofe des letzten Weltmonarchen, am Hofe Salomon's des Sohns David's, sichtbar gewesen, seitdem sich aber in das Gebirge Kaf zurückgezogen, welches die Erde als einen Ring einschließt, und hinter dem Dschinnistan oder das Land der Feeerey liegt. Hierher wurden die Geschlechter der Dschinnen verbannt, nachdem Gott der Herr den Engel Garasel (sonst Iblis, und nach seinem Falle Satan genannt) gesendet hatte, ihrem Unwesen auf Erden ein Ende zu machen. Iblis, der sich in der Folge mit einem Anhange von Engeln empörte, ward in die Hölle gestürzt, wo Malek der Hüther der Hölle (wie Riswan, der Hüther des Paradieses) und neunzehn Folterengeln (wie im Paradies die Cherubim und Erzengel) seinen Hof ausmachen. Man sieht hieraus den Unterschied zwischen Dschinnen oder Diwen, die nur ein gefallenes Riesengeschlecht, und zwischen Teufeln, die ein Geschlecht gefallener Engel sind. Der Aufenthalt der ersten ist Dschinnistan, im Umkreise des Berges Kaf, an den Enden der Erde; der Wohnsitz der zweyten ist im Mittelpuncte der Erde, in der Hölle, wo sieben Höllen mit wachsendem Grade des Feuers und der Peinen, den Verbrechen der Verdammten angemessen sind. Ueber derselben geht die Brücke Sirath weg, fein wie ein Haar und scharf wie ein Schwert, worüber die Menschen nach dem jüngsten Gerichte gehen müssen. Leicht und behende die Gerechten hinüber ins Paradies, aber die Verdammten stürzen hinunter ins höllische Feuer. Alles dieses gründet sich auch auf den Koran.

Wie die Geister in Engel des Himmels und der Hölle getheilt werden, so die Genien der Erde in gute und böse; die letzten heißen Dschinnen oder Diwe, die ersten Peris (Feen), weibliche luftige Geschöpfe, zart wie die Lichtstrahlen, schön wie die Morgenröthe, Freundinnen der Blumen und Düfte, aus denen ihr ganzes Wesen aufgehaucht ist. Beständig von den Diwen bedrängt und verfolgt, leben sie mit ihnen im immerwährenden Kriege, beschützen die Menschen und pflegen oft mit denselben vertrauliche Gemeinschaft. So war Balki's, die Königinn von Saba, berühmt durch ihren durchdringenden Verstand, der selbst den weisen Salomon in Verlegenheit setzte, die Tochter eines arabischen Königs und einer Peri. So schön, zart und lieblich die Peris sind, eben so häßlich böse und widerlich sind die Dschinnen oder Diwe. Ungeheuer mit Drachenhäuptern, die Feuer speyen, mit Ziegenfüßen und Schweifen, mit Bärentatzen und Geyerkrallen, die von Dschinnistan aus oft die Erde unsicher machen, aber auch darum nur in Sandwüsten und unwirthbaren Klüften hausen. Im Beginne der Menschenherrschaft, als Kajumerß, der erste Monarch dessen die morgenländische Geschichte erwähnt, den Thron der voradamitischen Salomonen einnahm, hatte er noch viele und mächtige Kämpfe zu bestehen mit den Diwen, die damahls noch kaum ins Dschinnistan gebannt, mächtig andrangen, um die verlorne Herrschaft der Erde wieder zu erobern, und ihm sogar seinen Sohn tödteten. Tahmuraß, der zweyte seiner Nachfolger, erhielt den Nahmen Diwbend oder der Diwbändiger. Der Schauplatz dieser Kämpfe waren die unwirthbaren Gegenden von Masenderan, kalt, öde, sumpficht am Meer, und waldigt am Gebirge, ganz zum Aufenthalte der Diwe geschaffen.

Mehrere Kämpfe bestand mit denselben Rostem, der Herkules der persischen Geschichte, der Befreyer des Reichs, der Held in den beständigen Kriegen wider Turan, der Abkömmling eines Heldenstammes, er selbst Vater eines jungen Heiden. Rostem Dastan, oder der Starkhandige, Sohn Sal's des Sohnes Sam's des Sohnes Neriman's des Sohnes Keren's. Schon seine Ahnen wirkten Wunder der Tapferkeit, sowohl durch sich selbst als durch den Beystand Simurg's, der sich schon der Erziehung Sal's, des Vaters von Rostem, angenommen hatte. Einsam und altklug wohnt dieser Vogelwesir der Salomonen am Berge Kaf, viel gerühmt, nie gesehen von dem lebenden Menschengeschlechte. Einzig in seiner Art, und stolz auf die Würden, die er als Wesir so vieler Weltmonarchen bekleidete, flieht er die Gesellschaft der Menschen, ist jedoch Rittern und Helden, welche ihre Abentheuer bis zu seinem Neste am Berge Kaf verfolgen, immer zu gutem Rathe erböthig. Den Helden des Schahname's, die er in seinen besonderen Schutz nahm, gab er zwey seiner Federn, die sie auf den Kopf steckten als einen Talisman wider alle Gefahren, als Unterscheidungszeichen seiner Gunst und ihres Heldenmuthes. Seitdem es keine Simurgfedern mehr gibt, sind Reigerbüsche oder sogenannte Tschelenk, als kriegerische Unterscheidungszeichen und Belohnungen, an ihre Stelle getreten. Durch Simurg begünstiget vollführte Rostem Wunder der Tapferkeit wider Diwe und turanische Helden, besonders im Zuge der sieben Abentheuer; doch ereilte auch ihn das Unglück, indem er seinen Sohn Sohrab, der ihn, ohne ihn zu kennen, herausgefordert hatte, nach einem langwierigen Zweykampf tödtete.

Rostem's Pferd und Schwert waren nicht minder gefeyet als sein Federbusch aus den Federn Simurg's, welcher zuerst Tahmuraß dem Diwenbändiger einen ähnlichen verliehen hatte.

Berühmter noch als Rostems gefeyete Rüstung und Mähre, als Feridun's Stier und Keule, und Kawe's Schurzfell, um das sich die Völker Persiens zum Sturze des Tyrannen Sohak sammelten, und das dann bis zum Ende des persischen Thrones die Reichsfahne blieb, sind in den orientalischen Fabelgeschichten die drey berühmten Talismane der drey größten Monarchen der Welt, Salomon's des Universalmonarchen, Dschemschid's des größten Königs der Könige, und Alexander's des Welteroberers. Des Siegels Salomon's ist bereits gedacht worden, und seine Tugenden sind, Dank den europäischen Feen- und Zauberromanen, und der Tausend und einen Nacht, berühmt genug, um kein Wort weiter darüber verlieren zu dürfen. Minder bekannt sind der mystische Becher Dschemschid's, (über den Herder in seinen persepolitanischen Briefen und Kreutzer in seiner Mythologie viel Vortreffliches sagt) und der Weltenspiegel Alexander's. Der erste, der auch das weltenzwingende Glas heißt, war ein Becher durch sieben Linien siebenfach abgetheilt. Je nachdem er bis auf die eine oder andere dieser Linien vollgefüllt war, zeigte er die Geheimnisse dieses oder jenes Erdgürtels an, und Dschemschid durfte nur hineinschauen, um dieselben zu erfahren. So zeigte auch der Weltenspiegel Alexander's auf einen Blick die ganze Uebersicht der Erde mit allen Ländern und Völkern. Die Sage des ersten ist wahrscheinlich aus dem Opferkelche der Perser, und die Fabel des zweyten aus einer verderbten Ueberlieferung vom Alexandrinischen Pharus entstanden, denn zu Alexandria am Borde des Meeres war dieser Weltenspiegel aufgerichtet. So scheint auch der Zug Alexander's nach dem Ammonstempel in die lybische Wüste zu dem fabelhaften Zuge ins Land der Finsterniß, wo der Quell des Lebens strömt, Anlaß gegeben zu haben.

Nach Alexander verschwinden die Fabeln immer mehr und mehr aus der Geschichte, die auf diese Art der Poesie mehr und mehr fremd wird. Doch ist noch unmittelbar vor Mohammed, Chosru Parwis, der letzte große Kaiser der Perser, mit einer leuchtenden Glorie poetischer Fiction umgeben. Seine Größe und Prachtliebe, die herrlichen Gebäude die unter seiner Regierung aufgeführt wurden, die Künstler die er an seinem Hofe vereinte, seine Liebesgeschichte mit Schirin der Christin, alles trug dazu bey, der Geschichte seiner Regierung den Anstrich des Fabelhaften und Wunderbaren zu geben. Das Historische derselben gehört nicht hieher und ist schon anderswo erwähnt worden. Poetische Sagen, die sich daraus erhalten haben, und auf welche häufige Anspielungen vorkommen, sind:

Das weiche Handgold, das er in seinen Händen nach beliebiger Form drückte; das Schachspiel, dessen Figuren die Bewegungen des Feindes anzeigten; der Thron, über den künstliche Vögel flogen, und das ganze Sternensystem in regelmäßiger Ordnung auf- und unterging; die sieben Schätze, je einer unglaublich reicher als der andere; der Kanal, um in den Pallast Schirin's frische Milch hinzuleiten, und endlich die schöne Mythe von dem Ursprung des Granatapfels aus dem Blute Ferhad's entsprungen, indem das Beil mit dem er sich getödtet, im Sturze auf der Erde stecken blieb, wurzelte und Früchte trug mit gespaltenem Busen und blutigem Herzen. Die um Hamadan wachsenden Granatäpfel heißen noch heute die Granatäpfel Ferhad's, wie eine andere Pflanze das Blut von Sijawusch heißt, zum Andenken des unschuldig vergossenen Blutes dieses Prinzen, dessen Geschichte mit seiner Stiefmutter, einer anderen Phädra, einen der schönsten Gesänge des Schahname ausmacht. Mit Mohammed verschwindet die Fabel und beginnt erst die wahre arabische und persische Geschichte, und in so weit der Ausdruck der Araber ganz richtig, welche das Zeitalter vor ihm, das Zeitalter der Unwissenheit nennen.

Wie sich die Zeiten aufhellten, und die Wissenschaften an arabischen und persischen Höfen blühten, war die Herrschaft der Fabel zu Ende, und ihr Reich erhielt wenigstens weiter keine allgemeine gültige Vergrößerung. Die Sagen des Koran's und des Schahname blieben der unversiegbare Quell des Mythos, der nicht mehr ab- und zunahm, und der noch heute in allen Gedichten des Morgenlandes lebendig fortströmt. Die anderen allgemein gültigen Fictionen, die sich weder auf den Koran noch auf das Schahname gründen, sind sehr wenige, scheinen jedoch aber aus der grauesten Zeit von dem ältesten Persien auf das neueste herübergekommen zu seyn. An der Spitze derselben stehen die astronomischen Sagen, die augenscheinlich mit Spuren indischer, ägyptischer und griechischer Mythologie verwebt sind; die Sternenbilder leben und weben als wirkliche Personen oder Thiere in der Welt morgenländischer Dichtung, wie dieß an einem anderen Orte ("Ueber die Sternbilder der Araber") umständlicher auseinander gesetzt worden. Eine genaue Bekanntschaft mit dieser Sternbilderlehre ist zur Verständlichkeit aller rhetorischen und poetischen Kunstwerke des Orients unumgänglich nothwendig, so häufig kommen Anspielungen darauf vor, besonders auf die zwölf Thierzeichen, die Stationen des Mondes, die Fixsterne erster Größe, und die sieben Planeten. Diese letzten erscheinen als eben so viele Genien, welche die Herrschaft des Himmels unter sich theilen. Jupiter als der Richter und Herr, Saturnus als der alte Gauner auf seinem Raubschloß, Mars als blutdürstiger Krieger, der Mond der Schenke des Himmels, Merkur als der Schreiber des Himmels, der Gründer der Wissenschaften, der den Kopf auf das Knie gestützt in tiefe Betrachtungen versenkt ist. Venus endlich, welche Sohre oder Anahid heißt, als der weibliche Genius des Morgen- und Abendsterns, der mit Lyragetön den Reigen der Sterne anführt. Diese Sichtung, eine der lieblichsten und interessantesten, verdient ausführlichere Erwähnung.

Harut und Marut, zwey Engel welche das Loos der Menschen beneideten, die nach kurzem Erdenleben mit ihnen die himmlischen Freuden theilten, erhielten vom Herrn des Himmels die Erlaubniß, auf Erden zu wandeln, jedoch in sterblichen Leibern und allen Begierden und Gebrechen der Menschen unterworfen, um selbst zu erproben, ob das Verdienst des Menschen, rein durchs Erdenleben zu gehen, so gering sey. Er lehrte sie das heilige Wort, kraft dessen sie vom Himmel niederzusteigen und wieder aufzusteigen vermochten. Sie kamen zu Sohre oder Anahid, einer schönen Frau, die sie zu verführen suchten, indem sie sich ihr als Engel zu erkennen gaben, die ihnen aber nur unter der Bedingung zu willen zu werden versprach, wenn sie ihr das Einlaßwort des Himmels sagten. Sie sagten ihrs, vergassen es aber im Augenblicke, da sie davon Mißbrauch gemacht; Anahid sprach es aus und stieg unter die Sterne empor, wo sie zum Lohne ihrer Tugend auf den Morgenstern versetzt ward, auf dem sie mit ihrer Lyra den Ton der Musik der Sphären angibt. Eine eben so schöne als zarte Idee, auf welche persische Dichter häufig anspielen, aber unsers Wissens keiner zarter und glücklicher als Hatifi in seinen Hymnen auf Gott, wo er den Herrn preiset: der die Lyra des Abendsterns mit den Strahlen der Sonne besaitet hat. Nahid ist die Alitta und Mylitta Herodot's, die von Armeniern und Persern bald als Venus, bald als Diana, bald als Pallas, und bald als Göttinn der Nacht verehrt ward, vielleicht dieselbe mit der ägyptischen Neight, deren ägyptischer und persischer Nahme sich im englischen Night und im deutschen Nacht, nur mit Aenderung des Hauchlautes, erhalten hat. Diese Apotheose des Morgensterns, der mit der Strahlenleyer die Harmonie der Sphären anführt, ist eine der schönsten Dichtungen des Orients. Die Entwürdigung des Tempeldienstes Mylitta's zu Babylon, wo sich Frauen und Mädchen öffentlich den Fremden preisgaben, ist vielleicht der gefallene Morgenstern der Schrift.

Von den Sternen, den Blumen des Himmels, senket der Dichter den Flug zu den Blumen, den Sternen der Erde, unter denen die Rose, wie dort Nahid, den Reigen anführt. Die Dichtung der Liebe der Nachtigall zur Rose  ist eine der ältesten und zartesten Mythen persischer Poesie, so alt und zart wie die Rosenhaine von Persis, wo die Nachtigall schon vor Firdussi Pehlewi oder altpersisch sprach, wie er so schön sagt:
Steh' auf am Morgen, blick' auf, und dicht',
Hör' wie die Nachtigall altpersisch spricht.

Die Rose, die hundertblättrige (Sadberg), ist die Königinn der Schönen, die Nachtigall, die tausendstimmige (Hesardassitan), der König der Sänger, beyde die Gefährten des Frühlings, der schönsten Zeit der Jugend und der Lust. Immer prangt hellglänzend und lacht frohlockend die Rose, während die Nachtigall flehend und wimmernd die Schmerzen ihrer Liebe der Nacht klagt, daher sie auch der Sänger der Nacht heißt. Wo Rosen entblühen, kosen auch Nachtigallen, welche nie aufhören, unter tausend wechselnden Formen des Wohllauts, der Rose ihre Liebe zu erklären, während diese, darüber unbekümmert, sich nur des Lebens freut, ohne sich die melancholischen Klagen der Nachtigall sehr zu Herzen zu nehmen. Unabläßig singt diese von Liebe, und wiewohl nicht immer zufrieden mit der Gegenliebe der Rose, muntert sie doch als Muster treuer Liebe den Wanderer zur Liebe auf; so sagt Saadi sehr schön

Weißt was Nachtigall
Dort singet im Gesträuß?
Was für ein Mensch bist du!
Der nichts von Liebe weiß?

Daher ist sie die eigentliche und einzige Muse orientalischer Dichter, welche sie nicht nur im Anfange ihres Gedichtes, sondern auch beym Anfange einzelner Gesänge anrufen, wie der Verfasser der deutschen Schirin sein Werk beginnt:
O Sängerinn des Frühlings und der Liebe u.s.w. (Schirin I. Gesang)

Öfters redet aber der Dichter auch statt der Nachtigall seine Seele oder sein Herz, besonders bey erhabenen Gegenständen, und manchmahl die Flöte an, wie Horaz seine Lyra. So beginnt das große Gedicht Dschelaleddin Rumi's mit den Versen:
Hör' wie die Flöte traurend klagt,
Was sie von ihrer Trennung sagt, usw.

und der zweyte Theil der deutschen Schirin nach persischen Vorbildern:
Komm wieder Sängerinn des Frühlings und der Rosen,
Komm, Nachtigall! aus Fluren von Schiras,
Mit meiner Flöte in dem weichen Gras
Wie mit der Königinn des Blumenstaats zu kosen.

Außer der Personifizierung der Flöte kömmt auch öfters die der Laute und der Halbtrommel vor, aber nicht als Anrufung im Anfange der Gedichte, sondern in Erzählungen, wo bey Gelegenheit eines Gesanges, den Laute und Halbtrommel begleiten, sie mit einem Gespräche über ihre eigenen Schicksale präludiren; so daß nach dieser so artigen als sinnreichen Dichtung, das Vorspiel der gesangbegleitenden Instrumente nichts als eine Reflexion des Instruments über sich selbst ist. So erzählt die Flöte, wie es ihr ging, da sie noch als Rohr ein Spiel des Windes war, während jetzt der Hauch des Mundes auf ihr spielt; die Halbtrommel klagt, wie sie Unsägliches habe erleiden müssen, ehe sie als Haut gegerbt, und dann in den Reif gespannt worden. Die Laute erinnert sich, wie sie noch als grünender Baum im Walde stand, wo die Lüfte des Himmels durch ihre Blätter, wie jetzt die Finger durch ihre Saiten schwirren, sie erzählt wie das Eisen angelegt, der Baum gefällt und sie dann zur Laute gewölbt ward usw. Diese drey Instrumente sind gleichsam die sprechenden Repräsentanten aller Blas-, Saiten- und Schlaginstrumente.

Nebst der schönen Allegorie der Liebe der Nachtigall und der Rose, welche ungeachtet der Klagen der Nachtigall und des leichtes Sinnes der Rose, dennoch im Ganzen eine glückliche und genußreiche Liebe ist, kennen persische Dichter noch zwey andere Allegorien unglücklicher Liebe, welche auf diese Weise den mythischen Cyklus der Liebe gleichsam erschöpfen. Diese sind die Liebe des Ballens und des Schlägels,  und dann die Liebe des Schmetterlings zur Flamme des Lichts. Beyde ein Sinnbild unglücklicher Liebe, jedoch mit dem Unterschiede, daß in dem ersten von Seiten der Liebenden mehr knechtische Unterwürfigkeit, in dem zweyten eine vollere und größere Selbstaufopferung zu gewahren ist, daß dort die Geliebte (der Schlägel) zwar härter, aber dennoch nicht unerbittlich, sich mit dem Liebenden spielend abgibt, während hier die Geliebte (die Flamme) sich dem Liebenden von selbst auch nicht im geringsten annähert, und ihn, wenn er sich ihr opfert, grausam vernichtet. Der Ballen ist immer bereit, sich (im Maillespiel) nach Belieben des Schlägels schlägeln und herumkugeln zu lassen, und ist herzlich froh, wenn sich dieser nur würdigt, ihm Streiche auf den Kopf zu geben. Der Schmetterling hingegen fliegt immer um das Licht, das bald lacht, bald weint, je nachdem die Flamme aufflackert oder das Wachs schmilzt, und in dessen Gluthen er sich endlich verzehrt. Der Schmetterling ist also dem Morgenländer nicht wie dem Abendländer ein Sinnbild der Unbeständigkeit und des Flattersinnes, sondern vielmehr ein Sinnbild der treuesten, hingebensten, sich selbst vergeßenden und aufopfernden Liebe, und die entgegengesetzte Polarität des Ostens und Westens, die sich überall auch in den geringsten Kleinigkeiten bewahrt, springt hier auf eine auffallende Weise ins Auge: Abend- und Morgenländer stehen von einander ab, wie der Occident vom Orient.

Außer der Rose dienen zwar wohl auch alle anderen schönen Blumen und Bäume dem Dichter, daraus einen Kranz zum Lobe seiner Geliebten zu flechten, und wir werden unter dieser Beziehung weiter unten ihrer erwähnen; aber mythologischen Sinn haben bey persischen Dichtern unseres Wissens nur zwey, nämlich die Lilie unter den Blumen, und die Cypresse unter den Bäumen, und zwar jede derselben unter zwey verschiedenen Beziehungen, von denen ihnen eine gemeinsam ist. Die Lilie, deren Blätter sonst insgemein mit Degen, Wimpern usw. verglichen werden, hat zehn Zungen, und ist dennoch stumm, sie lehrt die Weisheit des Schweigens trotz aller polyglottischen Gelehrsamkeit; die Cypresse, in deren schwankender Bewegung der Liebende nur den anmuthsvollen Gang und den Wuchs seiner Geliebten sieht, schattet auf Gräbern als Denkmahl der Abgeschiedenen. Beyde aber, so die Lilie als die Cypresse, sind Symbole der Freyheit; die Lilie ist die Blume, und die Cypresse der Baum der Freyheit. Europäische Leser werden nicht wenig staunen, die Freyheit in Asien neben der Wiege des Despotismus anzutreffen, und sogar einem Freyheitsbaume zu begegnen, der in Europa verdienter weise in so üblen Ruf gekommen. Aber von wie verschiedenen Seiten erscheint auch wieder dem Asiaten und Europäer die Freyheit und ihr Symbol! – Die Lilie ist ihm frey, weil sie weiß, von aller Mackel, von aller irdischen Befleckung, von aller sinnlichen Anhänglichkeit an Farben, rein ist. Die Cypresse ist's, weil sie keinen ihrer Zweige zum Boden senkt, sondern alle himmelwärts kehrt, und gar nicht wie andere Bäume einen in viele Zweige auslaufenden, sondern einen einzigen kegelförmigen Stamm darstellt. Reinigkeit also von sinnlichen Begierden, und Verzicht auf irdische Gegenstände sind die Bestandtheile der wahren Freyheit, die in ihrer ganzen Vollkommenheit freylich nur im Grabe gefunden werden kann, worauf heiteren und tiefen Sinnes die Lilie blüht und die Cypresse schattet.

Unendlich ist das Gebieth der Natur und die Herrschaft der Einbildungskraft, welche aus demselben ihre Vergleichungen hernimmt. Wer vermag die Grenzen der einen oder andern dem Genius der Dichtkunst abzustecken! Indessen hat derselbe jedoch von jeher bey verschiedenen Völkern nach Maßgabe der verschiedenen Himmelsstriche, der Naturscenen, der Erziehung und der Religion, gewisse Formen vor andern liebgewonnen und sich daran festgehalten. Dieß ist besonders der Fall bey Metaphern und Gleichnissen, welche das große Farben- und Bildermagazin der Poesie sind. Ausnahmen großer origineller Geister, welche sich über die vor ihnen bestandenen Schranken erhoben, und durch die Excentrität ihres Hippogryphenfluges die Freyheit der Einbildungskraft beurkunden, und gleichsam von Zeit zu Zeit wieder gebähren, gehören nicht hieher. So haben wir Deutsche einen Jean Paul, dessen Muse sich aus dem Orient nach dem Occident verirrt, und um als Fremdlinginn unerkannt zu bleiben, die Larve des Witzes und der Laune vorgenommen zu haben scheint, dessen Phantasie deutscher Poesie wohl als Kronjuwele, aber deutscher Cultur und Bildung nicht als Gemeingut angehört.

Nur von dem letzten, in so weit es das allgemein gang und gäbe Eigenthum der Volksdichter, in so weit Bild- und Gleichniß nicht ein oder zweymahl, sondern vielmahl gebraucht, zu einem bekannten Vereinigungs-Symbole persischer Poeten geworden, sey hier die Rede.

Sururi, ein großer türkischer Gelehrter und berühmter Commentator persischer Dichter, hat nach dem Enissol-uschak oder Freund der Verliebten in seiner Poetik Bahral-maarif oder das Meer der Kenntnisse betitelt, die Schönheitsbeschreibenden Vergleichungen in Rubriken gebracht, und mit Beyspielen aus persischen Dichtern belegt, deren vollständige Übersetzung in eine persische Poetik gehört, und nicht inner den Grenzen dieses Werkes liegt. Wir begnügen uns daher blos mit der Anzeige der Bilder selbst.

 

 

aus: Geschichte der schönen Redekünste Persiens
mit einer Blüthenlese aus zweyhundert persischen Dichtern
von Joseph von Hammer-Purgstall
Wien 1818
(S. 16-27)

(c) Bild Lilo Kapp pixelio.de

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