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Marie Laura Förster
(1817-1856)
Inhaltsverzeichnis der
Gedichte:
Liederquell
Liebe ist die Lebenskraft,
Die der Erde Blütentriebe
Und des Dichters Lieder schafft,
O ich dichte, weil ich liebe! -
Liebe, wo's auf Erden blüht,
Liebe, wo nur Herzen schlagen,
Und was meins so warm durchglüht,
Muß das Lied zur Helle tragen.
Und so lang' noch Blumen da,
Sterne droben noch geblieben,
Mir noch Menschenaugen nah,
O so lange muß ich lieben.
Und wie aus bewegtem Fluß
Ewig frische Töne klingen,
O so lang' ich lieben muß,
O so lange muß ich singen!
(S. 4)
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Herrlich ist's geboren sein
Von dem Himmel strömt das Leben,
Aus der Erde quillt's hervor,
Und aus allen Tiefen streben
Blüt' und Keim zum Licht empor,
Alles grüßt im Frühlingsschein,
Herrlich ist's geboren sein!
Und es zieht in hellen Flammen
Neues Leben durch das Herz,
Seelen fließen licht zusammen,
Ziehn geläutert himmelwärts.
Liebe woget aus und ein,
Herrlich ist's geboren sein!
Was einmal zum Licht geboren,
Leuchtet hell durch alle Zeit;
Was zum Leben jetzt erkoren,
Lebt durch alle Ewigkeit.
Was du liebst, ist ewig dein,
Herrlich ist's geboren sein.
(S. 5-6)
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Erste Liebe
Wenn vom Äuglein, kaum erwacht,
Sich zuerst die Decke hebt,
Anderm es entgegen lacht,
Kleine Hand nach andrer strebt,
Wenn, was noch der Mund nicht nennt,
Freudig schon der Blick erkennt.
Wenn schon einer Stimme Ton
Lieblicher vor allen klingt,
Fest das kleine Ärmchen schon
Sich um einen Nacken schlingt,
Mündchen selbst zum Kuß sich drängt,
Warm an Mutterlippen hängt,
Des Erkennens erste Lust
Schon das kleine Herz bewegt
Und es ahnend schon bewußt,
Wie es Liebe schützt und trägt,
Wenn zuerst des Lebens Licht
Leise durch die Hülle bricht, -
Was ich je vom Lieben schriebe,
Das nur nenn' ich erste Liebe!
(S. 26-27)
_____
Was wünsch' ich
mir?
Was wünsch' ich mir in meinen Jugendtagen,
Wo tausend holde Freuden mich umblühn,
In alle Fernen mich die Blicke tragen
Und tausend Wünsche mir im Herzen glühn?
O einer ist in Flammenschrift geschrieben:
O laß mich lieben!
Was wünsch' ich mir, wenn sich die Jahre neigen,
Wenn alle heiße Jugendglut entflog,
Die Wangen welken und die Haare bleichen,
Wenn mancher Schmerz die Seele schon durchzog?
Wie's auch das Leben hart mit mir getrieben,
Gib Kraft zu lieben!
Was wünsch' ich mir, wenn ich im Sterben liege
Und weit die Welt vor meinem Blick entsinkt,
Wenn ich der Hülle ahnend schon entfliege,
Und schon mein Geist aus Himmelsquellen trinkt,
O daß im Tod als Leben mir geblieben
Die Macht zu lieben!
(S. 31-32)
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Sehnsucht
Nicht blos bei des Posthorns Tönen,
Nicht blos wenn der Lenz erwacht,
Reizend alle Fernen macht,
Fühl' ich dieses bange Sehnen.
Nicht blos in den trüben Stunden,
Wenn der Seele Stimme schweigt,
Draußen auch das Licht erbleicht -
Nein, allewig ist's empfunden.
Fühl' es, wenn ich fortgeflogen,
Mit des Posthorns liebem Ton,
Nah' mir alle Fernen schon,
Die mich lockend angezogen.
Fühl' es, wenn in reicher Fülle
Mir das Leben Blüten streut,
Fühl's, ob jeden Tag erneut
Freude mir entgegenquille.
Ja, es klingt in all' Empfinden,
Ja, es färbt mir jede Zeit,
Klingt in Schmerz und Seligkeit,
Ewig Suchen, nimmer Finden!
O, und daß von Tag zu Tagen
Sich der eine Faden zieht,
Stets mein Auge weiter sieht,
Weiter mich die Wünsche tragen -
Leid ist's, das mit Lust mich füllet,
Schmerz, der Balsam schon enthält;
Schönstes Glück, daß diese Welt
Nie des Geistes Sehnsucht stillet.
Sie ist Element des Lebens,
Unzertrennlich meinem Geist,
Dem ihr ew'ges Glühn verheißt:
"Du, du sehnest nicht vergebens!"
(S. 67-68)
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Anbetend schweigen
Herz, wie bist du unbescheiden,
Herz, das nie genug empfängt,
Das erfindrisch neuen Leiden
Immer sich entgegendrängt.
Ob ich auch beseligt schaute,
Was mein Geist sich lang' gedacht, -
Burgen, Schlösser, kühngebaute,
Alter Kirchen düstre Pracht,
Friedenvolle Nonnenzellen,
Hochgebirg' im ew'gen Schnee,
Mächt'ger Ströme grüne Wellen,
Leisbewegten Alpensee; -
Ob noch immer meine Augen
Wunder sehn, in sel'ger Lust
Sich ins Reich der Schönheit tauchen, -
Neuer Wunsch durchglüht die Brust:
Ruhe nimmer, bis das Schöne,
Das dein Auge kaum erfaßt,
Du durch Farben, Worte, Töne
Selber nachgesprochen hast.
O Gefangner, brich die Schranken,
Würmlein, heb' dich aus dem Staub!
O die glühenden Gedanken
Sind an deinem Gott ein Raub.
Ihm ja neidest du die Werke,
Wünschest selbst dir Schöpferkraft,
Suchst in dir vermessne Stärke,
Die, was da ist, nacherschafft.
Trinkst nicht still das Licht des Lebens,
Wünscht in dir den Flammenstrahl,
Der es gibt, Gott schickt vergebens
Dir das Glück: du schaffst dir Qual.
Kannst du dich in Ihn versenken,
Dann nur bist du fessellos,
Dich verlierend, Ihn nur denken,
O dann bist du frei und groß.
Nur im süßen Selbstvergessen
Kannst du Theil des Schöpfers sein;
Doch du schaffest kühn vermessen
Gern dir eine Welt allein.
Nun, im sehnenden Verlangen,
Nun, im Drang nach Schöpferlust,
Nun erst fühlst du dich gefangen,
Deiner Ohnmacht dir bewußt.
Lern', o lern' anbetend schweigen,
Dränge nicht dein Ich hervor,
Dann wird Gott sich zu dir neigen
Und in Ihm ziehst du empor!
(S. 140-142)
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Stummer Schmerz, lautes Glück
O im Schmerze muß ich schweigen,
Schließ' ihn tief ins Herz hinein.
Er allein ist ganz mein eigen,
Bin mit ihm und Gott allein;
Und ob mir das Herz auch bricht,
O im Schmerze sing' ich nicht!
Doch mein Glück, das möcht' ich sagen,
Rufen es in jedes Ohr,
Es von Herz zu Herzen tragen,
O das meine drängt's hervor;
Jede Lust wird ein Gedicht -
O mein Glück verschweig' ich nicht.
(S. 149)
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Erinnerung
Wenn die ersten Veilchendüfte
Auf den leisen feuchten Schwingen
Neugeborner Frühlingslüfte
Leise durch das Fenster dringen,
Wenn des Posthorns Melodieen
Grüßend aus der Ferne schallen,
Weit und immer weiter fliehen
Und im Winde leis' verhallen,
Wenn, eh' auf die Sterne glimmen
Bei der Abendlüfte Kosen,
Droben zarte Wölkchen schwimmen,
Wunderbare Himmelsrosen -
Dann erwachen alte Lieder
Selig froh und schmerzlich trübe:
Du erwachst im Herzen wieder,
Schöne Zeit der ersten Liebe!
(S. 157)
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Denk' ich dein!
Daß ich an dich denke immerdar,
Daß du bei mir weilest Tag und Nacht -
Noch ist's meinem Herzen selbst nicht klar,
Ob es schwer, ob leicht mein Leben macht!
Denk' ich dein in kummervoller Zeit,
Wird sie hell und jeder Gram entweicht
Vor den Wonnen der Vergangenheit,
Denk' ich dein, wird mir das Leben leicht.
Denk' ich dein, wenn es mir Rosen streut,
Ohne dich sind's, ach, nicht Rosen mehr,
Und zur Qual wird, was mich sonst gefreut -
Ohne dich - wird mir das Leben schwer!
(S. 163)
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Klage!
Tage ohne Sonnenschein,
Lenze, winterkalt verflossen -
Klage nicht! Doch hast allein
Du den Frühling nicht genossen -
Klage! denn die Schuld war dein.
Ungenossner Sonnenstrahl,
Ungepflückte Frühlingsrosen -
Du vergiß es wohl einmal,
Aber - Liebe fortgestoßen -
Das, o das ist ew'ge Qual!
(S. 164)
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In stürmischer Mondnacht
Der Himmel ist düster, die Lüfte klagen
Im Tannenwalde; vom Sturme getragen
Ziehen Wolken auf Wolken von Westen her.
Ich auch bin düster, mein Herz ist schwer;
Es klaget und zittert da drinnen so eigen,
Wie Windesseufzer in Tannenzweigen.
Gedanken ziehen so trübe, o trüber
Als jene Wolken schattend darüber.
Da durch das Dunkel tritt plötzlich mild
Der Mond, der helle. So tritt dein Bild,
Du Holde, du Liebe, von der ich geschieden,
Plötzlich ins Herz mir und gibt ihm Frieden.
(S. 165)
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Seufzer
Endlich kommt der Sturm heran,
Wird die Sonne bleich
Und der Himmel wolkenschwer,
Meiner Seele gleich.
Endlich, wohl mir, ist es Nacht
Und die Welt umhüllt,
Die, was meine Seele wünscht,
Nimmer, ach, erfüllt!
Endlich, endlich kommt der Herbst,
Blatt und Blume fällt,
Öd' und stille wie mein Herz
Wird die ganze Welt.
O du Lenz, du goldner Tag,
O du Sonnenschein,
Ihr thut mir nur bitter weh,
Seit ich so allein!
(S. 179)
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Getrübter Blick
Da unten rauscht das Wasser grün
Mit hellen Silberschäumen,
Und drüben schimmern Häuser hell
Aus dunkeln Eichenbäumen.
Und Heerdenglocken, Alpenruf
Hallt von den Felsen wieder,
Die Berge sehn im Morgenhauch
Still feierlich hernieder.
Viel Tannen überm Alpenschnee
Fast zu den Gipfeln klimmen
Und drüber hoch im tiefen Blau
Viel zarte Wölkchen schwimmen.
Und Alles lacht im Sonnenglanz
Und funkelt wie zum Gruße,
Doch kommt vom Berg ein frischer Wind
Und kühler Hauch vom Flusse.
Es ist so schön - so wunderschön!
Ich fühl' es wie im Traume,
Als schaut' ich in die helle Welt
Aus einem andern Raume.
Mein Herz, das ist der andre Raum,
Das kann an Eins nur denken,
Und das läßt nicht, wie sonst, es frei
Sich in die Welt versenken,
Das webt die Schleier trüb' und dicht
Rings um des Sommers Prangen,
Und läßt es ganz ein ander Gut,
Als er uns reicht, verlangen.
So steh' ich mitten in der Lust
Und weiß sie nicht mein eigen;
Denn ach, ich fühl' mein Herz nicht mehr
Klang, Licht und Düften gleichen.
So stehn wir einst im Paradies,
Vielleicht in Himmelslanden
Und fühlen's nicht, wenn nicht in uns
Das Paradies erstanden.
(S. 180-181)
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An ***
Kennst du das Fühlen, wenn in Waldesnacht
Urplötzlich eine Blume vor uns blüht
Und uns in zauberheller Farbenpracht
Mit holdem Lächeln in die Augen sieht?
Kennst du das Fühlen, wenn ein Sonnenstrahl
So golden froh durch dunkle Nebel bricht,
In trüben Tagen uns mit einem mal
Von langverklungner Frühlingswonne spricht?
Kennst du das Fühlen, wenn der Sternenschar,
Die unerreichbar unser Auge meint,
Ein goldner Stern entflieht und wunderbar
Dem Blick der Sehnsucht sich zu nahen scheint?
Kennst du das Fühlen? O dann frage nicht! -
Du kannst mein wortlos stilles Glück verstehn,
Du fühlst mir nach, was keine Sprache spricht,
Was ich empfunden, da ich dich gesehn!
(S. 214)
_____
O wie selig, wer im Herzen
O wie selig, wer im Herzen
Einen Namen nennt,
Wenn es Niemand weiß, wenn Keiner
Diesen Namen kennt;
Wenn es Keiner weiß, welch Hoffen
Seine Seele hegt,
Was sie im Gebet zum Himmel
Ewig aufwärts trägt;
Wenn es Keiner weiß, was Helle
In die Nacht ihm bringt
Und warum die Thrän' im Glücke
Ihm ins Auge dringt;
Wenn es Keiner weiß, was immer
Jung das Herz erhält
Und was treulich es behütet
In dem Rausch der Welt.
Selig ist er! Nur der Augen
Warmes Strahlenlicht
Sagt uns, daß er in der Stille
Oft begeistert spricht:
"O, mit Gott im Himmel hab' ich
Etwas nun gemein -
Denn mein süß Geheimniß wissen
Er und ich allein!"
(S. 248-249)
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Aus: Gedichte von
Marie Förster
Leipzig F. A. Brockhaus 1857
Biographie:
Marie Laura Förster (* 9. März 1817 in Dresden; † 28. April 1856 ebenda)
war eine deutsche Schriftstellerin.
Sie kam als älteste Tochter des Schriftstellers Karl August Förster in
Dresden zur Welt. Bereits im Alter von sieben Jahren verfasste sie erste
Gedichte und eignete sich Kenntnisse in verschiedenen Sprachen und der
allgemeinen Wissenschaft an. Mit 16 Jahren übernahm sie die Erziehung
ihrer jüngeren Schwester.
Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1841 unternahm sie mit befreundeten
Familien zahlreiche Reisen, die sie durch ganz Sachsen, aber auch nach
Süddeutschland, Volhynien und Südrussland führten, wo sie zwei Jahre
blieb. Im Jahr 1853 weilte sie in Italien und verstarb 1856 in Dresden.
Förster verarbeitete ihre Reisen in ihrem Werk Briefe aus Südrußland
während eines Aufenthalts in Podolien, Volhynien und der Ukraine, das 1856
erschien. Daneben war sie seit den 1840er-Jahren auch als Übersetzerin
tätig.
aus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Marie_Laura_Förster
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