Theresa Gröhe (Ps. T. Resa) (1853-1929) - Liebesgedichte

Theresa Gröhe Ps. T. Resa



Theresa Gröhe (Ps. T. Resa)
(1853-1929)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Mein Lied

Die Sehnsucht ist's, die aus mir singt,
Ich bin ihr nie und nie entflohn -
Durch Schluchzen und durch Jauchzen klingt
Immer derselbe irre Ton.

Wen einmal recht sie angeblickt -
Großäugig - dunkel - schmerzensbang' -
Der bleibt von ihrem Bann umstrickt,
Der bleibt ihr Sklave lebenslang'.

Auch durch mein Lied weht schwül ihr Hauch
Und loht wie Flammen daraus her -
Mein bestes Herzblut trinkt sie auch -
Auch ich entrinn' ihr nimmermehr!
(S. 1)
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Morgenritt

Sie ritten zur Jagd vor Tag und Tau
Den Edelhirsch zu erlegen,
Durch Schatten-Alleen, dämmerblau,
Dem schweigenden Wald entgegen.

Vorbei am schlafenden Grafenschloß,
In wildem fröhlichen Reiten -
Nur Einer - der Schönste vom ganzen Troß,
Ließ zögernd sein Rößlein schreiten.

Zum Erker empor klang leis' sein Ruf -
Seine dunklen Augen flammten,
Da fiel, vor des bäumenden Rosses Huf,
Eine Rose, purpursamten.

Ein Riegel klirrte - leicht huschte ein Schritt,
Goldhaar floß leuchtend im Winde,
Von seines Rößleins Rücken glitt
Der selige Reiter geschwinde.

- - - - - - - - - - -
Die wilden Hirsche schrieen im Grund,
Die Nebel wallten und woben -
Heiß glühte ein roter Frauenmund
In dämmernder Parknacht droben.

Die blassen Violen dufteten stark
In bröckelnden Marmorvasen.
Das Rößlein weidete tief im Park
Auf regennassem Rasen.

Aus schauernden Wipfeln der Frühtau rann,
Herbstblätter taumelten nieder,
Verwehten Hornruf, dann und wann,
Gab süß das Echo wieder.

- - - - - - - - - - - -
Auf schimmerndem Goldhaar plötzlich weckt
Ein Lichthaar sprühende Funken -
Der Jäger fährt auf - verwirrt, erschreckt -
Von Küssen heiß und trunken.

Zu Pferd - zu Pferd! Der Morgen erwacht,
Der Himmel steht tief in Gluten,
Es bricht durch schattender Wipfel Nacht
Das Licht in blendenden Fluten. -

Dem Jäger wird - er weiß nicht wie?
Sein Hifthorn hebt er zum Munde,
Hell klingt sein jauchzendes Halali
Über dem sonnigen Grunde.
(S. 5-6)
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Frau Minne

I.
König Harald, der Held, saß zu Gericht,
Und vor ihm, in Ketten, stand
Von Goldhaar umflossen, sonnenlicht,
Frau Minne im Büßergewand.

König Harald herrschte sie finster an:
"Frau Minne, dir künd' ich jetzt:
Dieweil du mit dunklem Zauberbann
Mein fröhliches Herz verletzt -

Dieweil ich, müßigen Knaben gleich,
Geseufzt in Sehnsucht und Harm -
Dieweil ich vergessen Krone und Reich,
Frau Minne, in deinem Arm;

So seist du von meinem Antlitz verbannt,
So weit dein Fuß dich trägt -
Auf daß mein trotziges Herz sich ermannt,
Und nur dem Ruhme noch schlägt."

Sie lachte so hell: "Mein König und Held,
Dir neig' ich in Demut mich.
Doch - zögst du bis ans Ende der Welt -
Am Ende der Welt noch bin ich! -

Und ging' ich, so weit mein Fuß trägt,
Und mied' ich dich ewiglich -
König Harald! so lang dein Herz noch schlägt,
So lang schlägt es für mich!

In wilder Schlacht, auf brausendem Meer,
Wie weit du auch enteilst -
Frau Minne entrinnst du nimmermehr,
Wo immer du wanderst und weilst!"

Da sprang er auf in wildem Grimm,
Die Stirn wie Blut so rot:
"Und löst' kein Heil deinen Zauber schlimm,
So löse ihn der Tod.

Führt sie zum Turm am Meergestad'
Und schließt die Thore schwer.
Fahr' wohl, Frau Minne - daß Gott dir gnad' -
Die Schlüssel - werft ins Meer!"


II.
König Haralds Schiff stieß ab vom Strand,
Hohl ging die See und schwer.
Ein Schleier wehte vom Turmesrand,
Eine Rose fiel ins Meer. -

Und über die wilden Wasser schwamm
Ein Ton, von Schmerz durchglüht,
Und süß und süßer - wundersam,
Schwoll an der Minne Lied.

König Harald lauschte, blaß wie der Tod, -
Verwehend ob Meer und Ried
Klang weich durch das sinkende Abendrot
Der Minne, der Minne Lied.


III.
König Harald fuhr übers blaue Meer,
Im Segel sang der Wind;
Der wehte schwül von der Heimat her,
Der raunte so weich und lind.

Die Sonne sank und die Sonne kam,
Rot glühten Himmel und Meer -
König Haralds Herz schwoll in bitterm Gram:
Frau Minne, - wie stirbst du schwer!

König Harald ritt in die blutige Schlacht -
Das war ein wilder Tanz,
Bis leuchtend, auf seiner Locken Nacht,
Sich senkte des Sieges Kranz.

Sie jauchzten ihm zu: "Die Feinde fliehn -
Heil Harald, herrlicher Held!"
Auf ihren Schilden trugen sie ihn
Über das blutige Feld.


IV.
König Harald saß in des Kronsaals Pracht,
Doch finster sein Auge glüht'.
"Nun scheuche fort meiner Schwermut Nacht,
Nun singe, Sänger, ein Lied!"

Der weckte der Saiten vollsten Klang -
Das klirrte wie Erz und Stahl.
Wie Sturmwind brauste der Siegessang
Über den schimmernden Saal.

Da sprangen auf die Helden all'
Und schlugen ans Schild voll Lust -
Kein Echo weckte der wilde Schall
In König Haralds Brust.

Er sprach: "Einst hört' ich ein ander Lied,
Ein süßeres hört' ich nie -
Vergessen halb - wie Traum nur, zieht
Durchs Herz mir die Melodie -

Das war - als ob die Drossel schlägt,
An Abenden, bernsteinfarb' -
Das war wie Meerflut, windbewegt,
Drin blutig die Sonne starb -

Das war wie sonnenroter Strahl,
Der knospenden Wald durchglüht -"
Da stockt' ihm das Wort mit einem Mal,
Weiß keiner, wie ihm geschieht.

Eine Rose auf wilden Wassern schwamm -
Ein Schleier weht überm Meer -
Und süß und süßer - wundersam,
Schwillt an ein Ton so hehr -

Wie Lenzsturmbrausen im lachenden Mai,
Wie Jauchzen von Schluchzen durchbebt -
König Harald sprang auf mit wildem Schrei:
"Frau Minne - Frau Minne lebt!"

Da sprangen die Thüren auf im Saal,
In Sonne lag Meer und Land -
Umflossen vom leuchtenden Abendstrahl
Frau Minne lächelnd stand.

Er fiel vor ihr nieder - das Antlitz gepreßt
In ihres Kleides Saum -:
"So hielten dich Ketten und Riegel nicht fest?
Und nicht eines Kerkers Raum?"

Sie stand vor ihm so hold und jung,
Ihr Goldhaar wie Sonne floß -:
"Ich lebe noch! - Erinnerung
Und Hoffnung war mein Genoß.

Mich banden Ketten und Riegel nicht
Und nicht eines Königs Gebot -
Sieh! - Minne ist frei wie das Sonnenlicht
Und stärker als der Tod!"

Er hielt sie umfangen in Lust und Pein:
"Du Zauberin, totgefeit,
So soll mein Herz dein Kerker sein -
Der hält dich in Ewigkeit!"
(S. 7-12)
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Ich weiß ...

Wie schwül die Nächte sind und sehnsuchtsbang'! -
Zuweilen weht zu mir in weicher Luft
Von Lenzwindtosen ein verlorner Klang -
Von Lenzwindblüten ein verwehter Duft;
Dann schluchz' ich auf - und weiß - und weiß gewiß:
Daß heiß dein Herz nach meinem Herzen ruft.
(S. 13)
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Spielmannslied

Ich lebe noch und ich singe noch!
Der Tag ist noch sonnig - die Welt noch weit!
Vom stolzen Nacken warf ich das Joch -:
Grausamer Liebe Leid.

O Königin, vor der ich gekniet,
Deine Kette brach ich mit fester Hand,
Nun sing' ich dem Sturm ein wildes Lied
Vom Strom, der versiegte im Sand;

Vom Glanzgewölk, das zu trübem Tag,
Zu grauem Nebel erlosch und zerstob -
Vom Adler, dem die Schwinge zerbrach,
Eh' ins flutende Licht sie ihn hob.
(S. 16)
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Dornröschen

Nun sank die Flackerglut zu Asche,
Des Bergstroms Stürzen ist gedämmt -
Das Herz, das wilde, heiße, rasche,
Zu ruhigem Schlage nun gehemmt.

Wie still die Welt! - Die Vögel sangen
Sonst süßer - grüner war das Feld.
Von Schlafestrunkenheit umfangen
So schwül, so müde ruht die Welt.

Ein Zauberschlaf! - Die rechte Stunde,
Der rechte Ort - und sie erwacht!
Ein einz'ger Kuß von rotem Munde:
Und strahlend rings das Leben lacht.

Dann wird - in Jauchzen und in Zittern -
Der Erde ganze Wonne mein,
Nach allen Stürmen und Gewittern
Ein blütenvoller Frühling sein.
(S. 23)
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Glück

Ich wollt' das Glück erwarten,
Es blieb so lange aus -
Verdorrt war längst der Garten,
Tief lag im Schnee das Haus.

Die dunklen Wolken drohten,
Ich lag und träumte schwer.
Fahl über'n Himmel lohten
Die roten Blitze her.

Hab' einen Ruf vernommen,
Die Arme breit' ich aus -
Es ist das Glück gekommen,
In Flammen steht das Haus.

Schlagt über mir zusammen
Ihr Flammen rosenrot -
Ich halt' das Glück umfangen
Und küss' es halb zu Tod'.
(S. 29)
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Das alte Lied

I.
Mein Mädel gab den Laufpaß mir,
Will einen andern lieben -
Kein Thränlein fiel auf das Papier
Drauf zierlich sie mir's geschrieben.

Lenzsonne lachte ins Gemach
Und auf den Brief hernieder -
Die Schwalben zwitscherten am Dach
Und bauten ihr Nest sich wieder.

Da hab' ich die Liebe mit Gewalt
Mir aus der Brust gerissen -
Und hab' die Faust nur stumm geballt
Und blutig die Lippen gebissen.

Für dich nicht einen Schmerzenslaut,
Wär' mir zu schad' erschienen -
Viel Glück, viel Glück, du junge Braut
Thust's ja um mich verdienen!


II.
Goldlicht durch grüne Zweige floß,
Wie hatten wir lieb uns, wir zweie -!
Da war der Falk' noch dein Genoss'
Der wilde, - flügelfreie. -

War dir zu kühn die Wanderfahrt
In Lüften, wunderblauen!? -
Du stiegst herab - mit niedrer Art,
Erdwärts, ein Nest zu bauen.


III.
Nun liegt die Nacht, die schwarze Nacht
Über den Türmen und Gassen.
Die frohen Gesellen, die mit mir gelacht,
Die haben mich nun verlassen.

Sie schlafen längst - ohne Reu' und Harm
In ihrer Jugend Frische,
Der eine vielleicht in Liebchens Arm,
Der andre - unter dem Tische.

Ich geh' allein - es hallt mein Schritt -
Hin in die träumende Weite,
Nur einer geht getreulich mit
Und bleibt mir stumm zur Seite. -

Wie oft ich ihm entfliehn gewollt,
Wie oft ich, bei wilden Gelagen
Sein dumpfes Mahnen verlacht, vertollt,
Und in den Wind geschlagen;

Ich wußt' es längst, Flucht bringt kein Heil,
Ich muß ihm doch erliegen!
So nimm denn, Schmerz, dein volles Teil,
Du läßt dich nicht betrügen!


IV.
Nun brech' ich ins Knie, die Hände geballt,
In regennasse Heide -
Es rauscht der knospende Buchenwald
Über zuckendem Herzeleide. -

Fern leuchtet ein Wetter in fahler Pracht,
Lauschwere Tropfen fallen -
Zu meinen Häupten, die ganze Nacht,
Schluchzen die Nachtigallen.
(S. 30-32)
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Sehnsucht

Sehnsucht - breite die Flügel aus,
Trag' mich hinüber nach seinem Haus!

Trankst ja mein Herzblut so manche Nacht,
Wuchsest empor in blühender Pracht.

Raunst und flüsterst nun Nacht und Tag,
Jagst mir des Herzens fiebernden Schlag -

Weckst mir des Jammers stürzende Flut,
Gießt mir Flammen ins stockende Blut. -

Sehnsucht - trag' mich durch dämmernde Nacht
Bis an sein Haus mit Sturmesmacht!

Daß ich ihn einmal - einmal noch seh'
Eh' ich - Vampyr - an dir vergeh'!

Daß er mich einmal noch küssend umfaßt,
Ehe du ganz mich getötet hast.
(S. 38)
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Lenzlied

Lache hernieder
Leuchtender Stein -
Frühling, zieh' wieder
Über den Rhein!
Stoß in dein Goldhorn und wecke den Schall,
Jauchzendes Echo allüberall.

Rieselnde Bronnen
Wecke dein Strahl,
Im Licht der Sonnen
Lache das Thal!
Hoch von des Bergwalds finsteren Höhn
Laß deine maigrünen Banner wehn.

Wild in Gewittern
Stürme voll Lust,
Jauchzen und Zittern
Weck' in der Brust.
Durch Regenschauer, durch Tauwind feucht
Sprüh' deiner Blitze blaues Geleucht.

Nun glühn die Wogen
Im Rosenschein,
Ein Regenbogen
Steht überm Rhein.
Siehe! Durch Thränen lächelnd - besiegt,
Schauernd die Erde zu Füßen dir liegt.
(S. 39-40)
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Jugendliebe

So steig' empor in Morgenhelle
Mit deinem Sturm, mit deiner Glut!
Auf weicher, dunkler Sehnsuchtswelle
Steig' auf aus der Erinn'rung Flut!

Laß Zeit und Raum um mich versinken,
Vergehen Nacht und Finsternis -
Den Becher mich noch einmal trinken,
Den man mir von den Lippen riß!

O holder Nebel - steige - steige!
Verhülle wieder Thal und Fluß,
Senk', Herbstwald! deine gold'nen Zweige
Und wehre jedes Dritten Fuß!

Durch Regensprühn und Windeswehen
Zum Glück, an des Geliebten Hand
Laß mich den Weg noch einmal gehen,
Den ich verlor - und nie mehr fand.
(S. 41)
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Liebeserwachen

Nun duftet schwül der Flieder
Im Sommersonnenbrand,
Mir sinken die Augenlider,
Vom Schlummer übermannt.
Weich zieht mir durch webenden Traum
Vergess'ner Lieder süßweher Ton -
Schlaftrunken nickt drüber der rote Mohn,
Ich lebe, und weiß es kaum.

Verlernt hab' ich das Weinen,
Mein Herz vergaß sein Lied;
Leer will die Welt mir scheinen
Seit ich von Liebe schied.
Da plötzlich, in blendender Pracht,
Aus schwülen Wolken ein Wetterstrahl,
Ein Sturm durch die blühenden Rosen all',
Da bin ich erwacht - erwacht!

Nun stürm' in Wettern nieder
Aus flutendem Himmelblau,
Küss' mir das Herz voll Lieder,
Das Aug' voll süßen Tau, -
O Liebe, seligstes Weh!
Aus Thränen und Wonne - aus Sonne und Tau
Die siebenfarb'ne Brücke mir bau',
Darauf ich zum Himmel geh'.
(S. 45-46)
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Eros

Nicht in männermordender Schlacht,
In den Gründen voll Nebel und Dampf,
Schwirrt dein Pfeil mit tötlicher Macht,
Eros - Allsieger im Kampf!

Still verbluten, die du besiegt
Grausamer Gott, in lachender Lust.
Nicht des Heldentods Lorbeer liegt
Tröstend auf ihrer Brust.

Über ihr gesunkenes Haupt
Düster steigt auf deines Opfers Dampf.
Senke den Bogen! - verhülle dein Haupt,
Eros, Allsieger im Kampf!
(S. 51)
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Reue

Schwer ist mein Haupt und schwer ist mein Gewissen
Von leisem Flehen und von heißen Küssen.
Von Küssen, schwül, gleich einer Lenznacht Schweigen,
Die blasse Blüten weckt auf allen Zweigen,
Ungünst'gem Schicksal frevelhaft entrissen.
- - - - - - - - - - -
Schwer ist mein Haupt und schwer ist mein Gewissen.
(S. 52)
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Pfingsten

Von Glanz umflossen alle Höhen,
Verschneit von Blüten jedes Thal,
Sein maigrün Pfingstpanier läßt wehen
Der junge Wald im Morgenstrahl.

Von hohen Felsen, schwarz und finster,
Gleich eines Märchens Wasserfall,
In goldnen Fluten stürzt der Ginster,
Wildrosen überblühn den Wall.

Wie Weihrauch ziehn des Flieders Düfte,
Mit Blüten ist der Weg bestreut,
Voll Lerchenjubel alle Lüfte -
Von allen Türmen Festgeläut.

O Pfingsten, füll' mit deiner Sonne
Auch jedes Herz, das gramvoll schlägt
Zu dieser Zeit - da voller Wonne
Der Dornstrauch selber Rosen trägt.
(S. 54)
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Der Troubadour

Trompeten schmetternd werben
Zum Kampfspiel und Turnier.
Vom Dornenstrauch, vom herben,
Brech' ich die Helmeszier:
Ein Röslein, herzblutrot. -
Das ist deine Farbe, du Fraue hehr,
So leuchtend, wie Königspurpur schwer,
So gleißend, wie Flamme loht.

Ich sang durch alle Lande
Zu deiner Schönheit Preis,
Heut' sei auf heißem Sande
Erkämpft dein Lorbeerreis.
Gilt Sieg es oder Fall? -
Ein jauchzender Ruf - die Lanze gefällt -
Frau Minne, du Schönste in der Welt,
Sei gnädig deinem Vasall!
- - - - - - - - - - - -
Zerstampft von Rosseshufen
Ist nun der weite Grund,
Zu deines Thrones Stufen
Schlepp' ich mich, todeswund.
Heiß strömt mein Herzblut rot -
Deine Farbe, Herrin, trug ich im Streit,
Ich trag' sie hinein in die Ewigkeit
Im seligen Siegestod.
(S. 55-56)
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Wo magst du sein?

Nun schwanken die Blumen im Abendwinde,
In weiche Dämm'rung versinkt der Hain,
Ein Flüstern geht durch die Blätter der Linde,
Mein Herz brennt in Sehnsucht, - wo magst du sein?

Zuweilen nur noch ein fernes Rufen -
Ein Vogellaut aus blühendem Baum,
Ein flüchtiger Schritt auf der Treppe Stufen -
Dann wieder Schweigen, Dämm'rung und Traum.

Blausilbern dehnt sich die schimmernde Ferne,
Von Mondlicht umflossen lehn' ich allein -
Die Stille kommt, die Nacht und die Sterne!
Mein Herz brennt in Sehnsucht, - wo magst du sein?
(S. 59)
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Vergessen lernen

Das Glück entfloh uns in dämmernde Fernen,
Mein Lieb - ich soll dich vergessen lernen!
- - - - - - - - - - - - -
Uns schied kein Ermüden, uns schied kein Erkalten -
Wir haben uns schluchzend in Armen gehalten,
Wir schritten - wie durch lohende Flammen,
Durch jene Abschiedsstunde zusammen,
Noch einmal vereint - und dann nimmermehr.
Die Zeit ging darüber, öd' und leer.
Und ob mein Herz auch nach dir geschrieen,
Und ob ich geschluchzt auch, auf den Knieen,
Und ob ich empört mich, in wilder Qual,
Gegen Gott und Schicksal wohl hundertmal -
Die Zeit ging weiter unterdessen,
Ich wußte ja doch: ich muß dich vergessen!

Ich muß dich vergessen! Die armen Gedanken,
Ich hielt sie streng in Banden und Schranken,
Die wilden, die freien! gewohnt zu fliegen,
An deine Brust sich zärtlich zu schmiegen,
Ich rief sie zurück aus allen Fernen -
So mußt' ich's doch endlich, endlich lernen!

O Tage voll Qual und heißer Mühe!
Was nützt es, daß ich mir selbst entfliehe?
Schließe ja nur die Augen kaum,
Da kommt mein junger, lachender Traum
Auf bunter, schillernder Schmetterlingsschwinge
Und jauchzt: "Da schau' doch nur, wen ich dir bringe!"
Schon fühl' ich dein Herz an meinem schlagen -
Ach! was nützt nun all das Entsagen? -
Das stolze Wollen - das herbe Müssen
Geht unter in heißen, schauernden Küssen,
Geht unter wie Schnee in Frühlingsfluten,
Wie Nebel in Morgensonnengluten.

Fernher klingt es leise - wie Morgenglocken -
Der Traumgott schüttelt die nachtschwarzen Locken:
Aus seinem Mohnkranz, dem feuerroten,
Fallen die Blüten, die welkenden, toten
Taumelnd, entblätternd auf mich nieder -
Die schimmernden Flügel hebt er wieder - -
Da fahr' ich empor, da bin ich wach!
- - - - - - - - - -
Draußen schlägt schwer der Regen aufs Dach,
Der Tauwind klagt in den öden Gassen,
Mein lachendes Glück hat mich verlassen!
Noch zittert mein Herz, meine Pulse klopfen,
All' meine brennenden Wunden tropfen. -
So schleicht der Tag her aus triefenden Fernen -
Und so soll ich "vergessen lernen."
(S. 65-67)
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Erlösung

Noch ist mein Herz beklommen,
Daß es zu brechen meint,
Da nun das Glück zu kommen
Der Schmerz zu enden scheint.
Noch ist mein Aug' geblendet
Und schließt sich wehevoll,
Da ihm der Strahl gespendet
Der es durchsonnen soll.

Erst wenn des Sturmes Wüten
Am Morgen sich gelegt,
Siehst du die toten Blüten
Die du so treu gehegt.
Wie hold und duftend immer
Dir andre auch erblühn,
Der erste Glanz und Schimmer
Ist doch auf ewig hin.

So ist der Sturm gegangen
Durch meine Seele wild -
Von Schauder, Schmerz und Bangen
Ist noch das Herz erfüllt. -
Kann noch das Glück nicht fassen
Das stumm dein Blick ihm giebt:
Daß du mich nie verlassen,
Daß du mich stets geliebt.
(S. 73-74)
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Meine Liebe

Es war mein Mut ein kecker Fant,
Im Lenzwind wehte sein Panier.
"Wer ficht mich an? - wer hält mir Stand?
Ich streck' euch alle in den Sand,
Im frischen, im fröhlichen Turnier!"
- - - - - - - - - - - - -
Ich hab' ihn begraben mit eig'ner Hand.

Ein stolzes Schiff, meerwärts gewandt
Zu kühner Fahrt, meine Hoffnung war;
Schon glänzte, saphirblau, der Strand,
Es gleißte die Luft im Sonnenbrand,
Schneeweiß durchschnitt sie der Möven Schaar.
- - - - - - - - - - - -
Es modert ein Wrack in Schlick und Sand.

Meine Liebe - du Falke kühn und frei,
Schwing' dich empor zum Sonnenlicht!
Des Käfigs Qual - des Jägers Blei,
Verhöhne sie mit wildem Schrei!
Dich fangen sie - dich zähmen sie nicht!
- - - - - - - - - - -
Wer ist's, der deine Schwingen bricht??
(S. 79)
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Ahnung

Das ist ein Blühen und Sprießen: Maisonne und Maienwind!
Aufleuchtend durch die Wiesen des Stromes Silber rinnt,
Aufjauchzend zum Himmel, dem blauen, klingt rings der Vögel Lied,
Wohin die Augen schauen, hellleuchtend das Leben blüht.
Mir ist an diesem Tage, da alles, alles lacht,
Als bräche mit Sturmesklage herein die finstere Nacht,
Ein todesbanges Ahnen sagt mir in Schmerz und Groll,
Daß bald in neue Bahnen dein Leben lenken soll.
Daß nah die Zeit der Leiden, die Zeit des Glückes verrann -
Daß unsere Seelen sich scheiden - wie unsre Wege fortan;
Daß ich dahin muß gehen, ohne Klage und ohne Macht,
Was mir allein das Leben noch lebenswert gemacht.
- - - - - - - - -
O, müßten die Lippen erbleichen, die mir so hold gelacht,
Müßt' meine Liebe weichen des Todes finstrer Macht;
Ich wollt' es lieber verwinden, wie bitter es immer sei,
Als sehn deiner Liebe Schwinden - und müßig stehen dabei!

Müßig, in stolzem Schweigen - doch stockenden Atems sehn
Meinen holden Tag sich neigen, meine Sonne untergehn -
Vergessen und entsagen, da noch das Herz mir glüht,
Da noch in wildem Klagen bricht aus der Brust das Lied.
- - - - - - - - - - - - - -
Es ziehen die Wolkenschatten trüb' über den Sonnenschein - -
Die wir so lieb uns hatten, muß so das Ende sein?
Muß ich die Todeswunde empfangen von deiner Hand -
O Lieb, hat sich zur Stunde dein Herz von mir gewandt?
(S. 80-81)
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Streiflichter

I.
Waldkonzert - ein Lachen und Neigen -
Man amüsiert oder langweilt sich.
Unter den wehenden, maigrünen Zweigen
Schrittweit getrennt nur: du und ich.

Uniformen leuchten und blitzen,
Heimlich Blicke begegnen sich,
Rings gedrängt die Menschen sitzen,
Aber ich sehe nur dich - nur dich!

Unter den tiefgesenkten Lidern
Sehe ich alles, was dich umgiebt -
Sehe dich lachen, und Grüße erwidern,
Wie es dir eben gerade beliebt. -

Anderer Blicke - hold verführen
Möchten sie mich zu frivolem Spiel, -
Aber nicht 'mal ihr Kokettieren
Macht mir Spaß mehr - und das sagt viel!


II.
Seltsam ist es, mit anzuhören
Weh- und wonnedurchzuckt die Brust,
Wie sie alle zu bethören
Deine holdselige Schönheit gewußt.

"Hylas ist er - und niederziehen
Möchten ihn die Nixen gar gern,
Aber umsonst ist alles Bemühen,
Niemand hat Gnade vor diesem Herrn."

Kühlen Blicks, in vornehmem Schweigen,
Lässig zurückgelehnt - hör' ich es an.
Keiner ahnt, daß du einst mein eigen!
Keine ahnt, daß ich dich gewann!

Ja, du bist schön! ach! Niemand kann wissen
Wie du erst schön, wenn im Waldesgrün
Diese Lippen verführerisch küssen -
Diese Augen leuchten und sprühn.

Niemand kann wissen - in Schmerz und Grimme,
Ach - und in Wonne denk' ich daran:
Wie diese tiefe, süße Stimme,
Flüstern und flehen und schmeicheln kann.

Wie diese Arme so hold umfangen,
Wie es sich ruht auf diesen Knie'n,
Wie diese Stirn und diese Wangen
In Erregung erbleichen - erglühn.
- - - - - - - - - -
Alles dahin! - das süße Schmachten,
Glück und Sehnen - und Blick und Kuß!
- - - - - - - - -
Ach! daß ich dich so tief verachten,
Daß ich so tief dich verachten muß!!
(S. 83-85)
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Allerseelen

Vom Himmel erster, zarter Flocken Fall,
Und dennoch Blüten, Blüten überall,
Als wär' erwacht der Frühling, licht und warm;
Kein Kind, das nicht ein Kränzlein trägt am Arm.
Und draußen, vor dem Thor, ein Blütenmeer -
Von Duft und Weihrauch weh'n die Lüfte schwer.

Ich geh' allein im lauten Menschenschwarm
Einsam und schweigend - keinen Kranz am Arm -
Und weiß es doch - und weiß doch - ich auch hab'
Fern, fern im Leben ein vergessen Grab.
Kein Kränzlein schmückt es, dort brennt kein Licht,
Und, denk' ich dran, wend' ich das Angesicht.

Einst, als es stumm vor mir sich aufgethan,
Riß es vom Leben allen holden Wahn -
Mein Glück, mein Träumen - alles ward sein Raub,
Und nieder riß michs, nieder, in den Staub.
Auf meinen Knie'n, im wilden Schmerz ich lag -
Das war ein Tag! o Gott! das war ein Tag!!

Dann ging das Leben weiter seinen Gang -
Ein Stern nur löschte aus, ein Ton verklang.

Nur selten denk' ich dran; heut taucht's empor -
Verwehter Klang haucht seltsam in mein Ohr,
Verwehtes Glück macht mir die Seele krank
Und sieht mich an, mit Augen, schmerzensbang,
Und beugt mir tief das Haupt, in Gram und Not;
Daß ich noch lebe - und mein Herz ist tot.
(S. 86-87)
_____



Er liebt mich!

Hier lag ich, zusammengebrochen, oft,
Vorüber schien alles, was ich gehofft,
Gestorben, zerstört, dahinten weit -
Nun kommt das Glück - o holder Gast,
Daß dich das traurige Herz nicht faßt!
Nun kommt sie zurück, die selige Zeit,
Nun knie' ich - und schluchze bitterlich:
Er liebt mich - o Gott! - noch liebt er mich!
(S. 88)
_____



Vorüber

Verblüht die Rosen, verweht die Klänge,
So schwül der Tag und so endlos die Nacht,
Nun wieder die Öde, nun wieder die Enge,
Die mich so thatlos, so elend macht!
Verloren die Heimat, erloschen die Sterne,
Die mir geleuchtet so weit von hier -
Nun wieder die unabsehbare Ferne
Gleich einem Meer zwischen dir und mir.
(S. 89)
_____



Herbst

I.
Nun sinkt die Welt in Nebelgrau,
Herbstlaub bedeckt die Pfade dicht.
Trüb' schäumt der See, der einst so blau,
Im Sommersonnenlicht.

Und still durch meine Seele zieht
Trotz Winternahn und Sturmeswehn,
Ein selig' Auferstehungslied -
Ein Lied vom Wiedersehn!


II.
Dich wiedersehn! Die Tage gehn
Bald stürmisch und bald still dahin.
Der Regen sprüht, die Winde weh'n,
Grau liegt der Nebel auf den Höh'n,
Schwer liegt ein Ahnen mir im Sinn.
Fast trauriger, als da ich schied,
Blick' ich hinaus in Sturm und Graus,
Die Brust von Sehnsucht wild durchglüht.

So krank, o Gott! so todesmüd',
Ich komm' wohl nimmermehr nach Haus'!
Ich komm' wohl nimmermehr zu dir - -
Sieh! Blätter fallen, welk und dicht -
Der Friedhof liegt im Wege mir!
Ich drücke zitternd an die Thür
Mein thränenüberströmt' Gesicht.
(S. 90-91)
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Bald!

Im Sterbepurpur steht der Strauch,
Still atmen die Wellen im Hafen.
Mein zitterndes Herz, nun rüste dich auch
Zu deinem letzten Schlafen.

Herbstblätter taumeln im Abendwind,
Verweht sind Wälder und Matten;
Der Erde goldenes Licht verrinnt,
Still sinken des Todes Schatten.
(S. 92)
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Noch immer!

Die Tage gehen weiter ihren Gang,
Ich lebe weiter. - Meine Seele rang
Seit Monden nun, daß sie dem Glück entsage. -
Doch wie sie kämpfte, wie sie grausam litt,
Noch immer heimlich ging die Hoffnung mit,
Durch all' die bangen, stummen Sehnsuchtstage.
(S. 93)
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Lenz im Schnee

Ich eile durch die dunklen Gassen,
Der Regen sprüht, der Wind erwacht;
Noch fühl' ich deines Arms Umfassen,
Noch auf den Wangen, auf den blassen,
Brennt heiß die Glut, die du entfacht.

O Frühlingsglanz im Regensprühen,
O Lenz im Schnee! Wildselig Glück!
Vergessen Welt und Leid und Mühen,
Nur Mund auf Mund noch fühl' ich glühen
Und leuchten selig Blick in Blick.
(S. 95)
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Du!

Du bist ja selber Poesie!
So sieghaft schön, so strahlend heiter!
Holderes sah mein Auge nie,
Und was ich denke, spät und früh -
An dich, an dich - und sonst nichts weiter.

An dich - an dich! und sonst nichts mehr!
Ach! auch der beste der Entschlüsse,
Wo ist er - blickst du zu mir her?!
Gleich Schnee schmilzt er im Flammenmeer,
Beim ersten deiner süßen Küsse!
(S. 96)
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Bei dir

"Ich habe dich gar zu, gar zu lieb!"
Du flüsterst es leise mit lächelndem Mund.
Gieb deine Lippen! Deine Seele gieb
In dieser seligen Stund'.

Pflicht - Ehre - Leben und jäher Fall -
Was ist's, das nicht mein Herz vergißt,
Gleich leerer Worte flüchtigen Schall,
Wenn deine Lippe mich küßt!?
(S. 97)
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Rosen

Welch' leuchtende, eisige Nacht!
Tiefer Schnee auf Wegen und Stegen,
Doch du kommst mir entgegen,
Und der sonnigste Frühling lacht.
Deine Lippen, wie heiß
Von heimlichen Küssen und Kosen!
Glühende Rosen
Mitten im Schnee und Eis.
(S. 98)
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Komm' zurück!

Zuweilen fahr' ich jäh aus Nacht und Schlaf,
Dem Traume fluchend, der mein Herz umsponnen,
Dem Traum, gemischt aus Qualen und aus Wonnen.
Ein Dolchstoß, der die Todeswunde traf. - -

Und heißen Auges starr' ich in die Nacht.
Es träumte mir - Gott! daß ich es vergäße!!
Daß ich auf deinen Knieen wieder säße,
Um uns des Herbstwalds goldne Märchenpracht.

O dieser Träume sinnverwirrend Glück!
Gleich Himmelswonnen und gleich Höllenflammen,
Mit wildem Aufschrei breche ich zusammen -
Mein Glück - mein Herz - mein Leben, komm' zurück!
(S. 99)
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Bergab

Als in Schnee und Eis noch lagen
Diese frühlingsfrischen Höh'n,
Hat mich hier dein Arm getragen,
Einst, beim Berghinuntergehn.
Schweigend, hoch emporgehoben,
Heißen Blickes, hast du mich,
Tausend Sterne sahn von oben
Lächelnd her auf dich und mich.
(S. 100)
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Umsonst

Daß ist's - was kann es sein als Hassen,
Dies schneidend bittre, wilde Weh?
Wenn ich dich langsam und gelassen
An mir vorübergehen seh'!
Und kalt und fest am Boden haften
Die Augen, die in Glanz und Glut
Ein Meer von wilden Leidenschaften
Mir aufgewühlt in Herz und Blut.
Die Lippen, diese ros'gen, feuchten,
Die mir so gänzlich angehört,
Ich hasse sie - und Fluch dem Leuchten
Des blauen Blicks, der mich bethört.
Fluch jeder Hoffnung falschem Schimmer -
Fluch jedem Blick und jedem Kuß,
Und Fluch mir selbst - weil ich noch immer
Dich bis zum Wahnsinn lieben muß.
(S. 101)
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Sonnenwende

Die blasse, duftende Lenzespracht
Entblättert und verblüht;
Der Südwind, der die Rosen entfacht,
Singt ihr das Sterbelied.

Nun steigt der Vollmond, leuchtend und hehr,
Empor im dunklen Blau, -
Mitsommernacht sinkt schwül und schwer
Über die träumende Au.

Die träumende Au, die dunkle Flut,
Und mein Herz, so still und kühl,
Füllt plötzlich mit Glanz und Licht und Glut
Mitsommernacht, süß und schwül.
(S. 102)
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Heimstatt

In weiche Dämmerung versank die Ferne,
Wir saßen einsam, Hand in Hand zusammen,
Und deine tiefen, schwarzen Augensterne
In Thränen schwammen.

Du sprachst zu mir: "Es ist mein Herz beklommen,
Weil sich mein Weg nun scheidet von dem deinen,
Viel gabst du mir - viel hast du mir genommen,
O! woll' nicht weinen!

Was du mir gabst, ich will es nie vergessen,
Was du mir nahmst, ich will daran nicht denken,
Was du noch nehmen wirst - es nicht ermessen!
Eins woll' mir schenken:

Gieb mir die Seele, lass' mich ihr bereiten
Den Zufluchtsort, nach Irrtum, Schuld und Sünden;
Lass' in der meinen sie, für alle Zeiten,
Die Heimat finden!"

- - - - - - - - - - - -
O Seele, arme, irre, schwer erkrankte
An tiefer Wunde -
So wird auch dir, wonach dich heiß verlangte,
Die Feierstunde.
So wird auch dir, nach ruhelosem Wandern,
Der Heimat Segen,
Du wanderst, Hand in Hand mit einer andern,
Dem Licht entgegen.
(S. 108-109)
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Landsknechtlieder

I.
Dein Mund wollt' mich nicht küssen
Zum Weggeleit,
Hab' von dir scheiden müssen
Für alle Zeit.
Wohl wollt' mein Herzschlag stocken
Zur Scheidestund',
Das finstre Aug' blieb trocken
Und stumm der Mund. -
Vom Berg' schau' ich hinüber
Nach deinem Haus,
Die Wolken ziehn darüber,
Mein Stern - lisch aus!


II.
Fahr' wohl
Fahr' wohl! - In blauen Lüften
Zugvögel locken zumal,
Und jeder Berg in Düften,
Voll Sonne jedes Thal.

Im Land Trompeten blasen,
Heerfolge wirbt der Tod.
Mein Rößlein stampft den Rasen
Und wiehert ins Abendrot.

Ruh' will ich mir erstreiten
Und mußt's im Tode sein!
Will reiten - reiten - reiten
Bis in den Himmel hinein!


III.
Am Lagerfeuer
Uralte Linden blühen
In Duft und Pracht.
Die Lagerfeuer glühen
Rot durch die Nacht.

Es singen die Genossen
Bei Spiel und Wein -
Vom Mondlicht ganz umflossen
Lehn' ich allein.

Kein Echo weckt das Tönen
In mir voll Lust,
Es bräch' doch nur als Stöhnen
Aus wunder Brust.

Was soll von Glück ich wissen?
Die Saite sprang -
Hat Eine sie zerrissen
Im vollsten Klang.


IV.
Ein Zeichen
Das war vor Tau und Tagen,
Da bin ich jäh erwacht, -
Einen Schatten sah ich ragen
Schwarz in die Nacht.

Wie Eis schlich's durch die Glieder,
Da mich sein Blick gebannt -
Stumm beugt' er sich hernieder
Und hob die Hand.
- - - - - - - - - - -
Meine Wange that erbleichen,
Still stand mein Blut im Lauf,
Er schlug ein Kreuzeszeichen -
Da fuhr ich auf.
- - - - - - - - - - -
Ein Specht am Baume hämmert,
Traumstill sonst Wald und Hag,
Blutrot im Osten dämmert
Der junge Tag.


V.
Nach dem Kampfe
Vorbei nun Kampf und Streit -
Vom Mondlicht überflossen,
Wie ruht die Welt so weit!

Mir ist, in Halm und Gras,
Mein letztes Bett bereitet,
Vom Todespurpur naß.

Und Friede - Friede rings -
Mein Streiten und mein Reiten
Bis in den Himmel ging's.
- - - - - - - - - - - -
Es biegt im Abendwind
Wildröslein hold sich nieder
Zum Scheidegruße lind;

Nachttau - wie Thränen - fällt,
Weil niemand um mich weinet
Sonst auf der weiten Welt.

Doch an der Himmelsthür,
Da breitet weit die Arme
Mein Mütterlein nach mir. -

Mondstrahlen bauen weich
Eine goldne, goldne Brücke
Mir in das Himmelreich.
(S. 112-117)
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Zingara

Nebel wogen über der Heide,
Dornen nun trägt der Wildrosenstrauch.
Herz, mein Herz - in bitterem Leide
Trage du deine Dornen auch!

Heimat und Liebe - laß sie den andern -
Still geh' vorüber an ihrem Haus'.
Schmerzversunken geh' wieder wandern
In die dämmernde Nacht hinaus.

Wieder verloren - wieder verlassen,
Ferne dem Liebsten, dem Liebsten dir;
Singe dein wildes Lied auf den Gassen,
Gehe bettelnd von Thür' zu Thür'!
(S. 122)
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In alten Briefen

In alten Briefen las ich heut' -
Und mir entgegen schlug, wie Flammen,
Die kurze, heiße Seligkeit,
Die wir durchlebten einst zusammen.

Von "ewiger Liebe" las ich dort -
"Und bräche mir die Welt in Trümmer,
An deinem Herzen sei mein Hort,
Mein Heil, mein Trost, für immer - immer!"

Der du so stolze Worte sprachst,
So hoher Treue dich vermessen,
Und unser Glück so bald zerbrachst
Und meines Gram's so ganz vergessen. -

Der mein sein wollte - über'n Tod
Und über Menschenneid und Hassen
Und mich in meiner tiefsten Not
So ganz vereinsamt dann gelassen,

Tritt her! schau' mir ins Angesicht,
D'raus längst entwich des Glückes Schimmer,
Sprich wieder - und erröte nicht,
Wenn du es sprichst: "für immer! - immer!"
(S. 134)
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Erinnerung

Erinnerung! holde Blüte, die kein Frost
Vom Baum des Lebens tückisch streifen kann,
Goldklarer Wein, aus wildem jungen Most! -
Als Gott der Herr den Menschen zürnend stieß
Aus Eden in der Erde dunklen Bann,
Gab er uns dich! - du einz'ges Paradies,
Daraus kein Cherub uns vertreiben kann.
(S. 153)
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Aus: Gedichte von T. Resa
Königsberg i. Pr.
Thomas & Oppermann
(Ferd. Beyers Buchhandlung) 1900
 


Biographie:

Theresa Gröhe (Ps. T. Resa)
* 9.4.1853 Zybelle bei Muskau (Schlesien) † 2.1.1929 Köln-Bayenthal;
Tochter eines Pastors, verheiratet mit einem Gymnasial-Rektor in Ostpreußen; nach dessen Tod lebte sie in Wiesbaden und Köln und verdiente ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin.
Schriften: Burschenliebe. Edel-Wild. Cyclus (Gedichte) 1890;
Durch's Sprachrohr oder Das Kronjuwel (Schwank) 1893;
Mein erster Freier und andere Humoresken 1897;
Gedichte 1900; Opfer der Liebe. Cyclus (Gedichte) 1900;
Der 'Taugenichts' und andere Humoresken 1901;
Weihnachtsgeschichten. Ernste und heitere Erzählungen 1908;
Die Entlobten. Der 'Elefant'. Die Apfelkur. Heitere Geschichten 1911;
Villa Idylle und andere Humoresken 1914;
Aus großer Zeit. Kriegsdichtungen 1914-17; 1917;
Die drei Aufgaben (Märchenspiel) 1925.
Aus: Deutsches Literaturlexikon. Biographisch-bibliographisches Handbuch
Begründet von Wilhelm Kosch. 3. völlig neu bearbeitete Auflage.
Band 6. Hrsg. von Heinz Rupp und Carl Ludwig Lang
Francke Verlag Bern München 1978



 

 


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