Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Dal

XXXV. (35)

Berühr' ich mit meinen Händen das Haar,
So wird sie in Hitze aufgeh'n.
Verlang' ich hingegen Freundschaft von Ihr,
So wird gleich das Schmählen angeh'n.

Dem Neumond vergleichbar leuchtet sie zwar
Den Armen, die aufschau'n zu Ihr,
Doch wird sie sogleich verziehen die Brau'n
In Wolken sich bergen, und geh'n.

Die Nächte verschwärm' ich, trink' und wach',
Und dieses auf ihren Befehl,
Und will ich des Tags erzählen von mir,
So möcht' sie vor Schlafe vergeh'n.

Die Straße der Liebe ist voll von Gefahr,
Voll Unruh' und Truges mein Herz!
Du poltere her, so schnell als du kannst,
Denn schnell ist die Straße zu geh'n.

Wenn meinem Geliebten etwa beliebt,
Ein wenig hochmüthig zu seyn,
So wird ihm der Stolz durch Lust nach dem Wein,
Ich hoff' es, schon wieder vergeh'n.

Du bist nun zum Greis geworden mein Herz,
Drum prahl' nicht mit Anmuth und Reiz,
Denn solcherlei Prahlen, das lasset man nur
Den Jünglingen ungestraft geh'n.

Ist einmal das Schwarz des dunkelen Haars
Verbleichet durch Alter und Zeit,
So gehen die weißen Haare nicht ab,
So trefflich es möge sonst gehen.

Des sträflichen Bruches unseres Bunds
Beschuldigst du mich, ha! fürwahr!
Ich fürchte, daß einst am Tag des Gerichts,
An dich man deßhalben wird geh'n.

Hafis, du verhüllst der Liebenden Pfad,
Auf! trolle dich fort aus dem Weg,
Ach! glücklich ein jeder, welcher vermag,
Hier ohne den Schleier zu geh'n.


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