Aus: Der Buchstabe Dal
LVII. (57)
Vernimm, daß ohne Lieb' die Welt
Für Seelen keinen Zauber hat,
Und daß, wer nicht so denkt und fühlt,
Fürwahr gar keine Seele hat.
Noch gegen keinen hab' ich Gunst
Von diesem Herzensdieb geseh'n,
Es sey nun, daß ich es nicht weiß,
Es sey, daß keine Gunst er hat.
Vom Posten der Zufriedenheit
Kann ich unmöglich weiter gehen,
O Karawanenführer bleib',
Weil dieser Weg kein Ende hat.
Es liegt in jedem Tropfen Thau
Auf diesem Weg ein Feuermeer,
O Schade, zehnmal Schade ist's,
Dies Räthsel keine Lösung hat.
Wohl wenig Reiz und Freude hat
Das Leben ohne einen Freund,
Woher kommt es, daß ohne Freund
Das Leben wenig Reize hat?
Des Rausches Sitte lernest du,
O Herz, am besten von dem Vogt,
Denn sieh', er ist berauscht, wiewohl
Kein Mensch hievon den Argwohn hat.
Scheint dir der Nebenbuhler gleich
Ein Licht, versteck' dein Herz,
Weil dieser Schelm, und Schwätzermund
Kein Band auf seiner Zunge hat.
Betrachtest du beim Licht den Mann,
Dem du den Namen Meister giebst,
So siehest du, daß er zwar Kunst,
Doch keinen Vers, der fließet, hat.
Die krummgebogne Laute ruft
Zur Freude, zum Vergnügen auf,
O hör' sie, weil der Alten Rath
Kein Unheil noch verursacht hat.
Was dem Karun, mit seinem Schatz, 1
In alter Zeit einst widerfuhr,
Dies sagt die Rose, die ihr Gold
Vor allen Leuten offen hat.
Kein Mensch hat in der ganzen Welt
Solch einen Diener, wie Hafis,
Weil Niemand in der ganzen Welt,
Wie er, solch einen Herren hat.
1 Die goldenen Staubfäden, welche
die Rose offen zur Schau trägt, vergehen schnell; eben
so schnell verschwand Karuns tief verborgenes
Gold.
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