Aus: Der Buchstabe Dal
LXXXII. (82)
Warum, o schwankende Ceder
Neigest du dich zur Wiese nicht!
Warum vertraust du der Rose,
Und gedenk'st der Narziße nicht!
Seitdem ich kleinlichen Herzens
Locken-Bisam zusammen trag',
Verlangt das Herz von entfernten
Orten nicht nach der Heimath hin.
Entbrannt von Gier nach deinem Genuße
Traut der Seele das Herze nicht.
Die Seele, dich nur verlangend,
Dien't dem Leben des Körpers nicht.
Vor ihrem Bogen und Pfeilen
Hab ich Bitten und Flehen gewagt,
Sie zog die Sehne des Bogens,
Und verlieh ihr Gehör mir nicht.
Ich klagte über die Locken
Und den Zauber derselben laut,
Sie sprach: es folgt mir im Guten
Dieser schwarze Verräther nicht.
Nun sind die Locken des Veilchens
Aufgerißen vom Hauch des Osts.
Warum erinnert mein Herz sich
Dieses Bündnißzerreißers nicht.
Mein silberschenklichter Schenke, 1
Schenket uns nur die Hefen ein!
Wir wünschen ähnlich dem Glas ganz
Mund zu werden; wer wünscht es nicht?
Der Ostwind hauchet im Duften,
Spezerei'n und Gewürze aus.
Warum verwandelt der innre Sinn
Veilchenerde in Moschus nicht?
O zieh' zurücke die Hände,
Meinen Wangen thu' nichts zu Leide!
Der Tropfen Thaues wird ohne
Meine Thränen zur Perle nicht.
Hafis befolgte dein Wort nicht,
Deine Wimpern erstachen ihn
Mit Recht! denn Jeder verdienet
Tod, der freundlichem Rath nicht folgt.
1 Dieser Gleichlaut findet sich
auch im Arabischen zwischen Sak der Schenkel und Saki
der Schenke.
|