Aus: Der Buchstabe Dal
LXXXIV. (84)
Heimlich lieben und trinken, was ist's? ein lockeres
Tagwerk.
Ich mich zur Trunkenen schlag', sey es nun, was es auch
sey.
Löse den Knoten des Herzens, und sorge dich weiter um's
Loos nicht,
Kein Geometer hat noch diese Verwirrung gelößt.
Ueber den Handel und Wechsel der Zeit sollst du dich
nicht wundern,
Aehnliche Zauberei'n haltet das Schicksal bereit.
Halte bescheiden das Glas, es ist zusammengesetzet,
Aus den Schädeln Dschemschids, Keikobads
und Behmens, 1
Wer lehrt uns, wohin Kaiwas und Nimrod
gegangen? 2
Wie der Thron Dschemschids endlich in Stücke
zerfiel?
Siehe Ferhad, wie sehnet er sich nach den Lippen Schirinen's
3
Aus der Thränenfluth sproßen die Tulpen vor ihm.
Komm, ich will vom Weine berauscht und wüst seyn ein
wenig,
Denn ich finde vielleicht Schätz' im verwüsteten Bau.
Siehe die Tulpe, sie kennt, wie treulos der Wechsel der
Zeit ist,
Denn sie gab das Glas niemals bisher aus der Hand.
Weder die Fluth Roknabads, noch der Hauch des
Winds von Mosella, 4
Geben mir Freiheit, von hier mich zu entfernen auf lang.
Was mich traf von den Leiden der Liebe, das hat mich
getroffen,
Vor dem Bösen des Augs schütz' die Geliebte, o Herr!
Nimm nicht das Glas wie Hafis, du nimm's bei dem Schalle
der Laute,
Freude des Lebens hängt seidenen Faden entlang.
1 Dschemdschid, Behmen
und Keikobad, drey der größten und mächtigsten
alten Beherrscher Persiens aus der Dynastie der
Kejaniden.
2 Kaiwas
und Nimrod, ebenfalls ein Paar gewaltiger
Machthaber.
3 Die
Liebe Ferhads und die Schönheit Schirins,
viel besungen durch persische Dichter.
4 Roknabad,
das kleine Flüßchen, und Mosella, der schöne
Spaziergang und Gebetort bei Schiras.
|