Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Dal

LXXXIV. (84)

Heimlich lieben und trinken, was ist's? ein lockeres Tagwerk.
Ich mich zur Trunkenen schlag', sey es nun, was es auch sey.

Löse den Knoten des Herzens, und sorge dich weiter um's Loos nicht,
Kein Geometer hat noch diese Verwirrung gelößt.

Ueber den Handel und Wechsel der Zeit sollst du dich nicht wundern,
Aehnliche Zauberei'n haltet das Schicksal bereit.

Halte bescheiden das Glas, es ist zusammengesetzet,
Aus den Schädeln Dschemschids, Keikobads und Behmens, 1

Wer lehrt uns, wohin Kaiwas und Nimrod gegangen? 2
Wie der Thron Dschemschids endlich in Stücke zerfiel?

Siehe Ferhad, wie sehnet er sich nach den Lippen Schirinen's 3
Aus der Thränenfluth sproßen die Tulpen vor ihm.

Komm, ich will vom Weine berauscht und wüst seyn ein wenig,
Denn ich finde vielleicht Schätz' im verwüsteten Bau.

Siehe die Tulpe, sie kennt, wie treulos der Wechsel der Zeit ist,
Denn sie gab das Glas niemals bisher aus der Hand.

Weder die Fluth Roknabads, noch der Hauch des Winds von Mosella, 4
Geben mir Freiheit, von hier mich zu entfernen auf lang.

Was mich traf von den Leiden der Liebe, das hat mich getroffen,
Vor dem Bösen des Augs schütz' die Geliebte, o Herr!

Nimm nicht das Glas wie Hafis, du nimm's bei dem Schalle der Laute,
Freude des Lebens hängt seidenen Faden entlang.

1 Dschemdschid, Behmen und Keikobad, drey der größten und mächtigsten alten Beherrscher Persiens aus der Dynastie der Kejaniden.

2 Kaiwas und Nimrod, ebenfalls ein Paar gewaltiger Machthaber.

3 Die Liebe Ferhads und die Schönheit Schirins, viel besungen durch persische Dichter.

4 Roknabad, das kleine Flüßchen, und Mosella, der schöne Spaziergang und Gebetort bei Schiras.


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