Aus: Der Buchstabe Dal
XC. (90)
Schön sind die Rosen fürwahr!
Nichts schöner ist.
Schön! wenn dir bei der Hand
Der Becher ist.
Auf und trinke den Wein
Im Rosenbeet,
Weil die Dauer der Ros'
So flüchtig ist.
Jetzt sind die Tage der Lust,
Genieß, genieß!
Weil in Muscheln nicht stets
Die Perle ist.
Welch ein seltener Pfad!
Der Liebe Pfad,
Wo der Führende selbst
Verirret ist.
Willst du leben mit uns,
Wasch' aus dein Buch,
Weil, was Liebe dich lehrt,
Im Buch nicht ist.
Hör' mich, bringe dein Herz
Der Schönen dar,
Welche ohne Geschmeid'
Die Schönste ist.
Komm o Scheih und trink
Im Weinhaus hier
Einen Wein, der im Quell
Kewßer nicht ist. 1
Du, der's goldene Glas
Füllst mit Rubin,
Gieb's dem Manne, dem fremd
Das Gold sonst ist.
Einen leichteren Wein
Gieb mir, o Herr!
Dessen Ende kein Weh
Des Kopfes ist.
Sieh mein silberner Götz
Ist schöner, als
Jeder Götze, der in
Den Tempeln ist.
Ganzer Seele bin ich
Ownisens Knecht, 2
Der zwar meiner sich nicht
Erinnernd ist.
Bei der Krone des Schahs
Schwör' ich den Schwur,
Daß die Sonne so hell,
So schön nicht ist.
Nur derjenige schmäht
Hafisens Vers
Welcher selbst von Natur
Nicht edel ist.
1 Kewßer, der Quell des
Paradieses, der wahre Nektar der Morgenländer.
2 Sultan
Ownis, sonst Gajaßeddin aus der Dynastie der Ilchamier,
ein Gönner und Bewunderer Hafisens, viel gelobt in den
Gedichten des persischen Dichters Salman Essandschi.
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