Aus: Der Buchstabe Dal
CXXVIII. (128)
Es ist ein Stern vom Himmel gefallen,
Und ist zum Mond des Kreises geworden,
Er ist zum Freund, und zum Vertrauten
Von meinem scheuen Herzen geworden.
Mein Liebchen hat nie Schulen besuchet,
Mein Liebchen hat nie schreiben gelernet,
Und doch ist es durchs Winken der Augen
Ein grundgelehrter Meister geworden.
Erfreuet euch! der Freude Palläste,
Sie werden nun von neuem erbaut,
Seitdem die Bogenbrauen des Freunds 1
Zu Meistern sind im Bauen geworden.
Du reichtest mit Liebkosung Verliebten
So einen Wundernektar zu trinken,
Daß alle Kenntniß verlohren gegangen,
Daß der Verstand ist sinnlos geworden.
O reinige von Tropfen des Weins
Um Gottes willen Lippen und Hände,
Von tausend Sünden, tausend Gebrechen
Ist mein Gemüth verwirrt geworden.
O seht, wohin die Freundinn mich setzet,
Sie setzt mich auf die Stelle der Ehren,
Und so ist nun der Bettler der Straßen
Zum Fürsten unsres Kreises geworden.
Durch den Geruch des Herzens erkrankten
Dem Morgenwinde gleich die Verliebten,
Sie sind den Hyacinthen ein Opfer,
Ein Opfer den Narzißen geworden.
Freunde, Freude lenkt den Zügel
Vom Weg ab, der zu Schenken euch führet,
Hafis, der diese Straße gegangen,
Ist bankerott auf selber geworden.
Er bildete sich viel von dem Quelle
Des Lebens ein, vom Becher Keichorews,
Er ist begierig nach dem Getränke
Des Schahs, des Herrn der Reiter geworden. 2
Ja freylich werden alle Gesänge
Hafisens gleich dem Golde geschätzet.
Denn durch die Gunst des Herren des Glückes
Sind sie zum Stein der Weisen geworden.
1 Die Brauen sind Bogen, entweder
als Geschoß der Wimpernpfeile oder auch als Bogen von
Brücken gewölbt; in Beziehung auf das erste Bild sind
die Schönen geschickte Schützen, in Beziehung auf das
zweite kunstvolle Architecten. Noch heut suchen alle
Morgenländerinnen durch Anstrich die Gestalt ihrer
Brauen bogenförmig zu wölben, was ihnen schon die
Römer nachthaten.
2 Abulfewaris,
der Herr der Reiter, der Beiname Schah Schedschaa's.
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