Aus: Der Buchstabe Dal
CXXXV. (135)
Ich zieh' die Hand nicht ab vom Wunsche,
Als er nicht in Erfüllung kommt,
Bis zu dem Freund der Leib, wenn nicht
Die Seele aus dem Leibe kommt,
Es finden nicht die Treulosen
Zu allen Zeiten einen Freund,
Ich aber bin ihr Staub, bis einstens
Die Seele aus dem Leibe kommt.
Aus Sehnsucht nach dem schönen Munde,
Wird meine Seele eingeengt,
Wo ist die Zeit, wo nicht Enghänd'ger
Verlangen aus dem Munde kommt? 1
Bin ich dereinst gestorben, schließe
Das Thor des Grabmals auf, und schau',
Wie aus der Glut des innern Feuer
Der Rauch vom Leichenschleier kommt.
O stehe auf, daß auf den Fluren,
Um deinen Gang und Wuchs zu lernen,
Cypreßen selber Früchte tragen,
Und Duft aus wilden Bäumen kommt. 2
Der Hoffnung, daß Er auf den Fluren,
Wie deine Wangen, Rosen finde,
Bemühet sich der Ost, daß er
Im Kreis durch alle Fluren kommt.
Zeig' dein Gesicht, damit die Völker
Erstaunet und verwirret werden,
Mach' auf den Mund, daß von den Männern
Und Weibern Weheklagen kommt.
Es stecken mehr als fünfzig Angeln
In jeder Locke deiner Haare,
Wie ist es möglich, daß den Peinen,
Ein Herz dem meinen gleich entkommt.
Die Liebesspieler sagen nur
Des Guten viel, und viel des Schönen,
In jedem Kreis Hafisens Name
In das Gespräch der Freunde kommt.
1 Im Persischen enghändig,
Tengdest, dem Schalle und der Etymologie nach das
deutsche engtatzig, im Gegensatz von Dirasdest,
langhändig. Jenes heißt schwach, klein, arm, wie
dieses mächtig, groß und reich. Teng, eng, ist
vermutlich dasselbe mit Ding, das in seinem
ursprünglichen Sinne etwas begränztes bedeutet.
2 Diese
Strophe ist ein Kommentar der französischen Redensart
faire l'impossibile. Gerne würden Bäume selbst das
Unmögliche möglich machen, die Cypreße würde wider
ihre Natur Früchte geben, und der Narven, so wie
es scheint, eine Art wilden Kirschbaum, würde gerne
Wohlduft aushauchen, wenn er nur deinen Wuchs und deine
Haltung erlernen könnte.
|