Aus: Der Buchstabe Dal
CXLII. (142)
Die Zeit des Festes hat
Sich mit dem Neumond geschmücket,
Nun ziemt es sich, den Mond
In ihren Brauen zu sehen.
In Bogenform gekrümmt,
Dem neuen Monde vergleichbar,
Weil sich der Freund die Brau'n
Mit meiner Schminke geschminkt hat.
Verdeck' nicht dein Gesicht,
Entferne dich nicht von Freunden,
Denn deines Bartes Flaum
Zeigt uns die Verse des Korans. 1
Es kam vielleicht der Ost
Mit deinem Duft in den Garten,
Da ward der Rosen Kleid
Wie Morgenröthe zerrißen.
Es gab noch keinen Wein,
Noch keine Rosen auf Erden,
Da ward mein Lehm mit Wein
Und Rosenwasser geknetet. 2
Komm, daß ich dir den Gram
Von meinem Herzen erzähle,
Denn sonst vermag ich nichts
Zu hören und zu erzählen.
Und wäre auch mein Geist
Der Preis von deinem Genuße,
So kauf' ich ihn; es kauft
Ein guter Käufer auf's Anschau'n.
O mach' nicht, daß mein Aug'
Der Thränen viele vergieße.
Es lief dir lange nach,
Vermischte sich mit dem Staube.
Als in der Nacht des Haar's
Ich deine Wangen erblickte,
Da wurde meine Nacht
Erhellet ähnlich dem Tage.
Auf meinen Lippen liegt
Mein Geist, mein Wunsch ist vereitelt,
Die Hoffnung ist schon aus,
Doch nichts hab' ich noch erlanget.
Aus Sehnsucht hat Hafis
So manche Zeilen geschrieben,
O lies sein Herzgedicht,
Häng an die Ohren die Perlen. 3
1 Die Haare des jungen Bartes
gleichen den Zeilen einer Schrift; der Koran ist die
Schrift vorzugsweise wie bei uns die Bibel.
2 Der
Thon, aus dem ich geformt bin, ward von der Schöpfung
Anbeginn mit Wein und Rosenwasser geknetet, ich muß also
wohl Wein trinken.
3 Meine
Verse sind Perlen, wenn du dieselben lesen hörst, machst
du Ohrgehänge daraus, d.i. du schmückst dich damit, und
folgest ihren Lehren, denn Ohrgehänge sind dem
Morgenländer nicht nur Schmuck und Zierde, sondern auch
ein Zeichen der Unterwürfigkeit und Knechtschaft.
Deßhalben tragen dieselben im Morgenlande nur Weiber und
Sklaven.
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