Aus: Der Buchstabe Dal
CLV. (155)
Gestern hat das Veilchen zur Rose gesprochen,
Und ihr diese Kunde gegeben;
Wisse, die schöne Locke, die jeder bewundert,
Ward von jenem Haar mir gegeben. 1
Wohl ein seltner Schatz ist mein Herz voll Geheimniß,
Aber leider! siehe das Schicksal
Hat davon die Riegel und Schlößer versperret,
Und den Schlüßel Schönen gegeben.
Als ein armer Kranker und Leidender kam ich
Auf den Wink der Aerzte zur Thüre,
Denn sie haben mir von der Feinheit des Wuchses
Einen Wink und Kunde gegeben.
Bei mir armen Leidenden gieng sie vorüber,
Zu den Nebenbuhlern sie sagte:
"Wehe! weh' des armesn Verliebten, der seine
"Seele meinethalben gegeben."
Eines frischen Körpers und fröhlichen Herzens
Möge Jener immer sich freuen,
Der dem Freund im Elend Hülfe gebothen,
Und die Hand zur Rettung gegeben.
Gehe, geh', und heile dich selber zuerstens,
Der du Arzneien anordnest,
Wem hat süßer Wein und die süßeren Schönen
Jemals einen Schaden gegeben.
Aus dem Schatze seiner gewählten Steine,
Hat das Herz Hafisens die Perlen,
Hat es eine Summe, die Welten erkauft,
Deiner Liebe wegen gegeben.
1 Nicht nur die dunkle Farbe,
sondern auch die schöne Locke ist das tertium
comparationis zwischen Locken und Veilchen, bei den
Morgenländern, wie bei den Griechen.
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