Aus: Der Buchstabe Elif
II. (2)
Der Mond der Schönheit borgt sein Licht
Von deiner Wangen Strahlen,
Der Glanz der Anmuth strahlet aus
Von deines Kinnes Grübchen.
Kann mein versammeltes Gemüth
Mit deines Haares Locken,
Die ganz zerstreuet sind, o Gott!
Sich je zusammen finden.
Des Sinnes dich zu schauen kam
Mein Geist auf meine Lippen,
Soll er entfliehn? Soll er zurück?
Was ist dein Herrscherwille?
Gehst du vorbey, heb' auf den Saum
Vom Blute und vom Staube,
Denn viele deiner Opfer sind
Auf diesem Weg gefallen.
Verwaiset ist mein Herz, o gebt
Hievon den Freunden Kunde!
O Freunde! meine Seele ist
Mit Euern Seelen Eines.
Was nützet die Enthaltsamkeit
Dem, der dein Auge sah?
Viel besser ists, die Nüchternheit
Dem Trunknen nicht verkaufen.
Mein träges Glück, das lange schlief,
Ist endlich aufgewachet,
Der Schimmer deines Angesichts
Hat ihm ins Aug' geblitzet.
Der Ostwind bring' mir einen Strauß
Vom Rosenbusch der Wangen,
Vielleicht wird mir dann sein Geruch
Vom Staube deines Gartens.
Ihr sollet leben, Euer Wunsch
Werd' stets erfüllt ihr Schenken!
Wiewohl mein Glas zu Eurer Zeit
Nicht einmal voll geworden.
Horcht auf! es betet nun Hafis.
Sagt Amen, denn er betet.
Herr! gieb uns unser täglich Brod
Vom Zucker ihrer Lippen.
O Morgenwind zieh hin nach Jesd 1
Sag denen, die dort wohnen,
Der Kopf deß, der nicht dankbar ist
Sey Eurer Ballen Schlägel.
Zwar bin ich weit von Euch entfernt,
Doch ist mein Geist nicht ferne,
Ich bin der Diener Eures Schahs
Und Euer Loberedner.
Ich habe Muth, ich fleh bey Gott!
O höchster Schah der Schahe!
Ich küß die Erde deines Zelts
Wie das Gewölb des Himmels.
1 Jesd eine Stadt drey
Tagreisen von Schiras, an deren Einwohner, als an seine
besondern Freunde, der Dichter diese Ode gerichtet hat;
dem Ballenschlägel im Maillespiel, das in Persien
sehr stark gespielt wird, und wovon in allen Dichtern
häufig Vergleichungen hergenommen sind.
|