Aus: Der Buchstabe Schin
I. (1)
Hast du einen trauten Freund
Treu in Worten sey.
So im Bad als Rosenbeet
Sein Begleiter sey.
Gieb des durchgewühlten Haar's
Krause nicht dem Wind',
Daß nicht der Verliebten Sinn
Ganz zerrüttet sey!
Wünschest du allein zu seyn
Und mit Chiser gut. 1
Du für Alexandern dann
Lebenswasser sey!
Nicht ein jeder Vogel singt
Süßen Liebeston,
Komm' und für die Nachtigall
Eine Rose sey!
Uebertrage mir die Pflicht
Treu zu seyn als Knecht,
Uebertrag' sie mir bey Gott!
Und du Kaiser sey!
Zieh' nicht noch einmal das Schwert
In dem Heiligthum;
Und für das was du gethan
Ganz zerknirschet sey!
Eine Zunge und ein Herz
Haben unsre Kerzen.
Sieh' des Schmetterlings Bemüh'n,
Ob es nicht zum Lachen sey.
Aller Reiz und Schönheit liegt
In dem Minnespiel'.
Du daher in diesem Spiel
Unerreichbar sey!
Schweig' Hafis und klage nicht
Ueber Freundes Schuld,
Wer befahl, daß ihr Gesicht
Anzustaunen sey!
1 Chiser der Hüter des
Quells des Lebens, den Alexander umsonst im Lande der
Finsterniß suchte. Diese morgenländische Sage ist
vermuthlich aus der verunstalteten Geschichte vom Zuge
Alexanders nach Ammon's Tempel entstanden. Die dortige
wunderbare Quelle ward von der Einbildungskraft der
Orientalen in den Quell des Lebens, und die mitten in
kahlen Wüsten grünende Landinsel ward in Chiser
den im Lande der Finsterniß mit grünem Lichte
leuchtenden Hüter des Lebensquells umgeschaffen. Oder
vielleicht auch der hohe Priester des Ammon's Tempel.
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