Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Schin

XX. (20)

Herr! die neue lächelnde Rose, die Du mir empfohlen,
Ich empfehle sie dir wider die Neider der Flur.

Ist sie hundert Meilen entfernt vom Gaue der Treue,
Sey ihr doch böses Geschick ferne von Seele, von Leib.

Ostwind gehst du die Wohnung von meiner Selma vorüber,
Hoff' ich, daß du ihr Schönes entrichtest von mir.

Löse behutsam den Knäul von ihrem verworrenen Haar' auf,
Herzen stecken darin, daß du sie ja nicht verwirrst.

Sag' ihr, es hab' an ihr Maal mein Herz der Fordrungen viele,
Sie bewahr' es daher schonend in Ambragemisch.

Dort wo Gesundheit man trinkt aufs Angedenken des Munds,
Ist ein Schurke, wer dort bleibt sich selber bewußt.

Ehren und Güter sind nicht an der Thüre der Schenke zu haben,
Wer da trinket der werf', was ihm gehöret in's Meer.

Wer vor Leiden sich fürchtet, dem ziemt nicht das Leiden der Liebe;
Unser Haupt ist ihr Fuß! unsere Lippen ihr Mund.1

Deine Lieder Hafis! sind wahrlich der Grundreim der Dichtkunst 2
Denn sie rauben das Herz, und sie bezaubern durchs Wort.

1 Ich stelle gern mein Haupt mit ihrem Fuße zusammen, damit Sie dasselbe treten, und meinen Mund mit ihren Lippen damit Sie ihn küssen möge.

2 Heital-gasel oder heital-kasside heißt der erste Vers einer Gasele oder Kaßide, auf welchen die andern gereimt werden. Hafis sagt seine Gesänge seyen der Grundvers der Wissenschaft und Kunst, nämlich der Dichtkunst, die sich nach seinen Liedern richtet, wie die Verse einer Gasel nach dem ersten.


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