Aus: Der Buchstabe Mim
I. (1)
Wenn es von mir abhängt beim Herzensfreund zu sitzen,
Trink' ich vom Glas des Glücks, pflück' Rosen des
Genußes.
Es reißt der bittre Wein den Bau der Ruhe um,
Leg' Schenke deinen Mund auf meinen, raub' die Seele.
Ich werde rasend noch, indem bei Nacht und Tage
Ich mit dem Monde sprech', im Traum Perien sehe. 1
Dein Aug' und Mund giebt Wein und Zucker Trunknen,
Nur ich bin ganz beraubt von einem und von Anderen.
Ich geh' vom Krankenbett geradewegs in Himmel,
Wenn in dem letzten Zug du mir die Kerze haltest.
Der windentführte Staub ist schwer von deiner Anmuth,
Gedenke auch an mich, ich bin ein alter Diener.
Nicht jeder Dichter singt begeisterte Gesänge,
Mein schlauer Falke fängt des Liedes Rebhuhn sicher.
Glaubst du mir nicht, so geh' und frage Sina's
Bilder,
Ob Mani nicht den Strich von meinem Kiel sich
wünsche. 2
Es singt die Nachtigall: Auf Schenke! Guten Morgen.
Noch braußt in meinem Kopf der Lautenton von gestern.
Frag' nicht Hafisen, sondern mich um Rausch und Liebe;
Denn Flasch und Gläser sind mir Mond, sind mir Plejaden.
Nicht jedermann ist wahr, nicht Jedermann ist sicher,
Ich bin der Sklav Dschelaleddin's des
Großwesires. 3
1 Die Peri's, die Urbilder
unserer Feen.
2 Mani,
der Lehrer der Manichäer, die sich unter vielfältigen
Namen vom entferntesten Osten Asiens bis an den
äußersten Weste Europas ausbreiteten. Nach der
orientalischen Sage begründete er die Göttlichkeit
seiner Sendung durch Kunstwerke der Malerkunst, wie
Mahommed durch das höchste Kunstwerk arabischer
Dichtkunst den Koran. Nur durch den Genius
verkündigt sich das Göttliche, sey es in Worten, sey es
in Bildern. Erteng Mani das heilige Gemäldebuch
Mani's ist den Manichäern, was der Pentateuchus dem
Indier, das Evangelium den Christen, der Koran den
Mahommedanern.
3 Dschelaleddin,
der Name des Wesirs und Gönners des Dichters.
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