Aus: Der Buchstabe Mim
XI. (11)
Was soll ich ohne dich o Cypreße,
Mit Ros' und Rosenbeeten machen?
Was soll ich ohne Lockennarzißen,
Was ohne Wangenlilien machen.
O Weh es hat das Spotten der Feinde,
Dein Angesicht dem Blick entzogen,
Das meinige ist nicht wie ein Spiegel 1
Von Eisen, sag' was soll ich machen.
O heb' dich Rather, heb' dich von hinnen,
Und schmähl' die Trinker nicht umsonst aus.
So hat's der Herr des Schicksals befohlen.
Was kann und soll ich Anderes machen!
Wenn es dem Schah der Türken beliebet, 2
Mich in den Brunnen tief zu werfen,
Und wenn Rostem des Ehernen Huld nicht
Heraus mir hilft, was soll ich machen!
Wenn du die Eifersucht im Verborgenen
Gleich einem Blitze strahlend zeigest,
An dir ist es alsdann zu befehlen,
Was soll ich Herzverbrannter machen!
Wird von des Berges Sinai's Feuer
Nicht Licht für meinen Docht gespendet,
Was soll ich in den finsteren Nächten
Des Thals der Ruh' im Stillen machen.
Hafis, es ist das ewige Leben,
Ein altererbtes Gut vom Vater, 3
Was willst du diese wüsten Ruinen,
Noch länger dir zur Wohnung machen!
1 Ich habe keine stählerne Stirn,
um die Pfeile des Spottes daran abprallen zu lassen.
2 Unter
dem Schah der Türken wird hier Efrasiab
verstanden, der Beherrscher der jenseits des Oxus
gelegenen Länder, Hafis spielt hier auf eine allen
Lesern des Schahname wohlbekanntes Abentheuer Rostems des
Ehrenen an. Dieser befreite seine Neffen Bischen, einen
berühmten Helden aus dem Brunnen, worein ihn Efrasiab
hatte werfen lassen, weil er seiner Tochter den Hof
gemacht. Aehnliche Anspielungen finden sich oft in
anderen persischen Dichterwerken, z.B. unter dem Titel
Reinigkeitsspiegel Kaßide Chakamies, wo es heißt:
Dir ist der Vogt, was Efrasiab im Brunnen Bischenen. Aber
es nahet Rostem unter dem Kleide den Strick. Der Strick
nämlich, oder vielmehr die Halfter, deren sich die alten
persischen Helden bedienten, im Wurfe die Feinde damit zu
fangen.
3 Das
Paradies ist mir angeerbt von meinem Vater, was weile ich
also noch länger auf dieser Erde.
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