Aus: Der Buchstabe Mim
XXXII. (32)
Gestern hat mir dein schmachtendes Auge die Seele
geraubet,
Doch der Lippen Reiz gab sie mir wieder zurück.
Nicht seit heute bin ich in den Moschus des Bartes
verliebet, 1
Lange berauschte ich schon mich aus des Nuemonds Pokal.
Meiner Festigkeit kömmt ein einziger Umstand zu Guten, 2
Daß ich nie in dem Gau hinter dem Fuße herlief. 3
O erwarte kein Heil, von mir, der die Schenken besuchet,
Denn seitdem ich bin, dien' ich den Trunkenen stets.
Tausend Gefahren des Untergangs hat die Straße der
Liebe,
Glaube nicht, daß der Tod dich schon von allen befreyt.
Ha! was kümmern
mich wohl die Bogen und Pfeile der Neider,
Da mich der Hochaltar meines Geliebten empfängt.
Mit der geplünderten Brust ist der Krieger von hinnen
gegangen,
Weh! o wehe mir, wenn sich der Schah nicht erbarmt!
In den Himmel erhöht die Wissenschaft zwar Hafisen,
Aber die Liebe zu dir hat ihn erniedrigt zu Staub.
1 Das Gesicht des Geliebten wird
hier zu gleicher Zeit einem Neumond und einem Becher
verglichen. Der junge Moschusbart formt den Kopf des
ersten und den Rand des zweiten.
2 Was
mich in meinem Unglück tröstet, ist meine
Beständigkeit, daß ich nämlich ungeachtet deiner
Strenge fest auf meiner Stelle verharrte, und nicht aus
Verzweiflung davon lief.
3 Daß
ich ihm nie als ein rasender Verliebter nachlief.
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