Aus: Der Buchstabe Mim
L. (50)
Erstens sag ich es laut, und freue mich dann des
Gesagten.
Ich bin der Liebe Sklav, frey in dem Leben, im Tod.
Ich bin ein Vogel der höheren Welt, was soll ich
erklären,
Wie in dieses Netz, gählinger Weile ich fiel.
Einstens war ich ein Engel, und wohnte hoch in dem
Himmel,
Vater Adam hat mich in die Wüste geführt.
Doch den edenischen Baum, die Fluth Selsebils
und die Huris, 1
Alles, alles vergaß ich aus Erinn'rung an Dich.
Noch hat kein Sternenkundiger mir mein Schicksal
enträthselt,
Herr! o sage mir, was ist das Loos der Geburt?
Als ich ein treuer Sklave die Schenken der Liebe
besuchte,
Brachte jeglicher Tag neue Beschwerden für mich.
Blut beströmet den Stern des Aug's, und dieses wohl
billig.
Warum gab ich mein Herz anderen Herzen wohl hin!
In dem Herzen steht nur die Eins des Freundes
geschrieben, 2
Was zu thun? ich ward sonst nichts vom Meister gelehrt.
Trockne Hafisens Gesicht mit den Spitzen der Locken des
Haars ab,
Sonsten führet der Strom ganz mein Gebäude hinweg. 3
1 Tuba, der Baum Edens, Selsebil
der Quell des Paradieses, Huris die
schwarzäugigen immer jungfräulichen Mädchen desselben.
2 Im
Herzen ist mir das Elif des Freundes eingeschrieben. Elif
der erste Buchstab des Alphabets, und zugleich die
Zahleneinheit wie alpha im Griechischen. Die gerade Form
desselben wie unsere Eins ist dem Dichter Bild des
Wuchses seines Lieblings, womit sich noch der Begriff der
ausschließenden Einheit oder Treue verbinden läßt.
3 Der
Strom der Thränen, trockne ihn ab, sonst untergräbt
er ganz das Gebäude meiner Ruhe.
|