Aus: Der Buchstabe Mim
LXII. (62)
Wir haben ohne Gram und trunken
Das Herz aus den Händen gegeben.
Wir sind der Liebe Eingeweihte,
Wir sind die Vertrauten des Glases.
Ich muß ja leiden! von den Leuten
So Vieles dulden und leiden,
Seitdem ich all mein Thun und Lassen
Empfehle den Brauen der Augen.
O Rose mit dem Feuermaale,
Du hast dich erst gestern gefärbet,
Ich aber bin die Anemone,
Die schon mit dem Maale zur Welt kam.
Der alte Herr der Schenke sollt' er
Sich über die Reue betrüben,
Ich bin bereit die Ehrenabbitt'
Mit Gläsern voll Weines zu machen.
O Wegweiser! einen Blick nur,
Denn alle Geschäfte vollbringst Du,
Und ich gesteh' es herzlich gerne,
Ich habe vom Weg mich verirret
O schau' nicht auf des Weines Tulpe,
O schau' nicht auf's Glas in der Mitte;
Du schau' vielmehr auf's Brandmaal, das du
Ins blutige Innre gebrannt hast.
Du fragst mich, Hafis: was haben
Denn diese Gemälde zu sagen?
Ich sprach: Laß dich hiedurch nicht trügen,
Denn rein ist die Tafel des Herzens. 1
1 Laß dich durch die Bilder,
welche meine Einbildungskraft von deinen Reizen
vorgaukelt, nicht irre machen, mein Herz ist deßhalb
nicht minder rein.
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