Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Mim

LXXII. (72)

Du schauest mich und alsogleich
Vermehrest du mein Leiden;
Ich schaue Dich und alsogleich
Vermehrt sich meine Liebe.

Ich weiß nicht, was im Sinn du führst,
Du fragst nicht, wie's mir gehe;
Du eilest nicht, mir beizustehn,
Weißt du nicht, daß ich kränkle?

Du wirfst mich in den Staub, und gehst
Vorüber, ist dies billig?
O komm, und frage, wie's mir geht,
Ich will dein Wegstaub werden.

Ich zieh' die Hand von deinem Staub
Nicht ab, bis daß ich Staub bin,
Wenn du mein Grab vorübergehst,
Flieg' ich dem Saum als Staub an.

Im Gram um deine Liebe gieng
Hinab zum Grund die Seele,
Du rächest dich, du sagest nicht
Nun ruhe aus ein wenig.

Ich suchte bei der dunkeln Nacht
Mein Herz in deinen Locken,
Da sah ich deiner Wangen Mond,
Und trank aus rothen Lippen.

Ich zog dich her an meine Brust,
Da kräusten sich die Haare,
Ich legte Lippen auf den Mund,
Aufopfernd Herz und Seele.

Wenn du hinaus auf Felder geh'st,
Hinaus in's Grüne wandelst,
So strömet meine blut'ge Thrän'
Herab die gelben Wangen.

Leb' mit Hafis in treuem Bund,
Begehr' vom Feind die Seele;
Wenn du dich gnädig mir erzeigst,
Was kümmern mich die Feinde!


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