Aus: Der Buchstabe Ta
XXII. (22)
Schon seit geraumer Zeit ist die Sehnsucht nach Schönen
mein Glaube,
Dieser Glaube verleiht Freude dem traurigen Sinn.
Deinen Rubin zu beschauen, wird ein Auge der Seelen
erfordert,
Ferne, o ferne davon stehet das irdische Aug.
Werde mein Freund! wir zieren und schmücken zusammen den
Himmel,
Du durch des Angesichts Mond, ich durch der Thränen
Gestirn. 1
Seit mich deine Liebe das Wort der Rede gelehret hat,
Bin ich der Liebling des Volks, preiset mich jeglicher
Mund.
Länger verleihe gütig mir noch die Gabe der Armuth,
Diesem Reichthum entkeimt meine Vergrößrung und Macht.
Herr! wer hat das Gebild von jener Kaaba gesehen, 2
Deren Straßendorn mir wie Jasminen entblüht?
Wie hat dein Bild das Meer von meinen Thränen
durchsteuert?
Hat es die Straße gelernt von den Hyaden des
Augs? 3
Plaudre mir nichts mehr Hafis vom prächtigen Hofe Perwisens,
Gerne möchte sein Mund huldigen meiner Schirin. 4
1 Die Plejaden, mit denen der
Dichter seine Augen vergleichet.
2 Wer
hat je die Wallfahrt unternommen zu jener Kaaba
durch die unwegsame dornichte Wüste, deren Disteln
indessen mir schöner als Jasminen blühn.
3 Wie stahl sich dein Bild in mein
Auge? ward es in seinem Lauf durch das Regengestirn
geleitet?
4 Anspielung
auf die bekannte Liebesgeschichte von Chosru Perwis,
mit der schönen und süßen Schirin. Rede mir
nicht mehr, sagt Hafis, von Chosru und Schirin,
Chosru selbst vergäße seiner Schirin, um meiner süßen
Schönen zu huldigen. Schirin heißt süß.
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