Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ja

XXII. (22)

Deine Schönheit, meine Liebe,
Beide sind vollkommen;
Sey getröstet, meine Seele,
Diese Schönheit stirbt nicht.

Ich begreife keinesweges,
Daß noch größre Schönheit,
Der Verstand in meinem Bilde,
Mir entwerfen könnte.

Bleibe ich bei dir, so scheinen
Mir die Jahre Tage.
Bin ich fern von dir, so scheinen
Mir Minuten Jahre.

Dann erst würde ich erlernen
Den Genuß des Lebens,
Wann nach meinem Wunsch mir einstens
Dein Genuß zu Theil wird.

O Geliebte, sag', wie kann ich
Seh'n dein Bild im Schlafe,
Da ich von dem Schlafe selber
Nur das Traumbild sehe.

Habe doch mit mir Erbarmen,
Denn ob deinen Wangen
Ist mein Leib so dumm geworden,
Wie der Mond im Neuschein.

Wünsch'st du den Genuß des Freunds,
O Hafis! so klag' nicht,
Denn du hast noch mehr zu leiden,
Als nur diese Trennung.


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