Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ja

XXIII. (23)

Noch gestern hielt die Nachtigall,
Hoch auf Cypressenästen,
Im Dialekte Pehlewi 1
Kollegien der Liebe.

Sie sprach: o komm', die Rose brennt
Jetzt mit dem Feuer Moses; 2
O komm, daß du vom Rosenstrauch
Vernehmest Sinn der Einheit. 3

Der Gärten Vögel singen jetzt
In abgemeßnen Tönen,
Damit bei Pelewigesang
Auch der Wesir jetzt trinke. 4

Die Zeit der Sicherheit der Ruh'
Gedeihet wohl dem Armen,
Denn für die Kaiserthronen ziemt
Sich nicht die Lust und Freude.

Des Glases Ruhm ist in der Welt
Allein von Dschem geblieben,
Ich bitte dich, o bind' dein Herz
Nicht an der Erde Güter!

Wie treffend sprach ein Alter nicht
Das Wort zu seinem Sohne:
Mein Augenlicht, du erntest nur,
Was ich gesäet habe.

Dein Auge hat mit Schmeichelei'n
Der Leute Haus verbrennet,
Berausch' dich nicht, es stehet dir
Ein kleiner Rausch am besten.

Hör' diese wunderbare Ding'
Vom umgekehrten Schicksal,
Ermordet ward ich von dem Freund'
Durch seines Mundes Odem.

O Schenk', es hat vielleicht Hafis
Dir gar zu viel gegeben,
Denn sieh' des Mönches Bund und Haar 5
Ist gänzlich in Verwirrung.

1 Die Nachtigall liest im Dialekte Pehlewi (der Hafisen in so weit der poetische ist, als Ferdusi daraus den Stoff der Dichtungen des Schahnamis genommen) Makemat oder Sitzungen der Liebe. Mokamat ist der Titel des so berühmten Meisterwerks arabischer Wohlredenheit von Hariri. Hafis läßt die Nachtigall im Dialekte Pehlewi, als der Landessprache des Vaterlandes der Schönen sprechen.

2 Das Feuer, das den Dornenstrauch verzehrte.

3 Die Einheit Gottes.

4 Der Wesir Chadscha Dschelaleddin.

5 Der Kopfbund oder Dülbend, woraus unser Turban entstanden ist.



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