Aus: Der Buchstabe Ja
XXVIII. (28)
Sitz' nicht voll Begier dort an den Ufern des Wassers,
Widerfährt dir was, wahrlich allein hast du Schuld.
Ich beschwör' dich bei Gott, der dich vor andern
erwählet,
Zieh' dem Armen nicht andere Fremdlinge vor.
Künftig will ich mich durchbetteln die Straße der
Liebe.
Es ist Demuth dort Pilgern der einzige Pfad.
Schaam und Sitte hat dich zur Fürstinn der Schönen
erkohren,
Lob und Preis sey dir, weil du die Herrschaft verdienst.
Rett' ich den Glauben, und rett' ich mein Heil, so ist
nichts zu fürchten,
Ohne Gefühl wär's leicht, ohne den Glauben nicht so.
Was zu thun, wenn ich den Nebenbuhler nicht dulde,
Liebenden bleibt zuletzt nichts als Verachtung zur Wahl.
Hör' ein trauliches Wort von einem aufrichtigen Freunde,
Du, auf dem das Aug' aller Erhabenen ruht.
Dir, o reines Herz, und reingesitteter Liebling,
Wird's viel besser seyn, wenn du die Bösen vermeid'st.
Siehst du, wie mit den Flaschen ich spiel' zur Rechten,
zur Linken,
Schau, in meinem Aug' harret die Seele auf dich.
O der Milde der Huld! du Rose sitzest mit Dornen,
Aber doch ist's gewiß, daß du dort Alles vollbringst.
Dieser Thränenstrom hat das Herz Hafisens zerschwemmet,
Aus ist die Geduld, löse die Banden des Aug's.
Du, o lieblicher Knab! du leuchtende Kerze von Tschigil,
1
Bist Dschelaleddins trauter Versammlungen werth.
1 Tschigil eine der
Gränzstädte Turkistans gegen Indien, berühmt durch die
Schönheit ihrer Knaben und Mädchen, von blendender
Gesichtsfarbe, schwarzen Augen und schwarzen Brauen.
Hafis suchte durch dieses Empfehlungsgedicht einen seiner
Lieblinge in die Gesellschaft seines Gönners des
Finanzministers Dschelaleddin, von dem schon
mehrmalen die Rede gewesen, einzuführen.
|