Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ja

XXXIV. (34)

Es ist schon eine gute Zeit,
Daß du mich in Erwartung hältst,
Und daß du deinen Diener nicht
Auf gleichen Fuß mit Andern hältst.

Der Winkel deines Auges ward
Zu meinem Wohle aufgemacht,
Ist's recht, daß du die Liebenden
Auf solche harte Weise hältst?

Es kann sich nicht die Nachtigall,
Die Rose nicht von dir befreien,
Weil du sie mit zerrißnem Kleid
Und Wehgesang von dannen hältst.

Weit besser ist's, wenn du den Arm
Vor aller Leute Blick versteckst;
Du der die Hand stets in das Blut
Der Redlichen getauchet hältst.

Der Vater der Erfahrung bist
Nur du mein Herz seit langer Zeit,
Ich weiß nicht, wie du Lieb' und Treu'
Von Jünglingen für möglich hältst. 1

Du leer vor allen Andern aus 2
Den Beutel Silber oder Gold,
Sobald nach Silberbusichten
Du Sehnsucht und Verlangen hältst.

Das Herz, der Glaube ist dahin,
Doch sprechen kann ich nicht gerad
Indem du mein verbranntes Herz
Noch immer so von ferne hältst.

Wiewohl die Trunkenheit, der Rausch
Nur meine eigne Sünde ist,
So sprach ein Liebender doch jüngst,
Daß du dazu uns unterhältst.

O du der mit dem blauen Kleid
Noch Ruhe und noch Frieden suchst,
Ich weiß, daß auf Geheimnisse
Unwissender du vieles hältst.

O meine Lampe, o mein Licht,
Narzisse der Betrachtenden,
Was treibet dich wohl an, daß du
Den wunden Kopf so schwer nur hältst.

So lang der Ost, die Nachtigall
Den Rosen deine Schönheit liest,
So sey versichert, daß du gleich
Sie alle in Erwartung hältst.

Es kam der Stoff zum Glas Dschemschids
Hieher aus einer andern Welt,
Ich weiß, daß du auf Lehm und Thon
Der Kannegießer vieles hältst.

O bringe nicht mit Traurigkeit
Hafis! den Tag des Heiles zu,
Ich weiß nicht, was auf dieser Welt
Du für Erwartung hegst und hältst

1 Der du so sehr in der Liebe erfahren bist, wie kannst du doch noch Treue bei Jünglingen suchen.

2 Gold ist das sicherste Mittel, sich Gegenliebe zu erwerben.



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