Aus: Der Buchstabe Elif
VI. (6)
Meiner Hand ist das Herz entflohen ihr Herzenbesitzer!
Wehe! bey Gott! Weh mir! denn das Geheimniß ist weg!
Gestern tönte so schön von Wein und Rosen Aodi
Bringet den Morgenwein, o ihr Betrunkenen her!
Schau in das Glas! es ist der Spiegel des griechischen
Königs,
Alle Plane Daro's wirst du erspähen darinn 1
Gnädiger Herr! aus schuldigem Dank für blühenden
Wohlstand
Fraget doch eines Tags, wie es Derwischen ergeht. 2
Ruhe hienieden und dort verbürgen diese zwey Worte:
Liebreich begegne dem Freund, Feinden begegne mit
Gunst.
Mir ward Eintritt ins Land des guten Namens versaget.
Tadler, gefällt es dir nicht, änd're das ewige Loos.
Dieser bittere Saft, dem Weisen die Mutter der Laster
3
Schmeckt viel lieblicher mir als ein jungfräulicher
Kuß:
In unfreundlicher Zeit genieß, und freu dich des
Rausches!
Dieser Alchymiker macht Bettler wie Karun
beglückt. 4
Sträube dich nicht, sonst wirst du wie Kerzen in Gluthen
verflammen,
In der Geliebten Hand werden die Steine zu Wachs.
Persische Schönen verleihn mit ihren Worten das Leben,
Greisen und Frömmlingen gieb Schenke die Kunde davon!
Ach nicht mit Willen besudelt Hafis die Kleider mit
Weinfleck.
Frommer Lehrer verzeih! O du verzeihest es ihm.
1 Alexanders Spiegel berühmt in
der orientalischen Fabellehre. Er brauchte nur
hineinzusehen, um auf der ersten Blick alle Plane Daro's
(Darius) zu durchschauen.
2 Eine
Anrede an den Geliebten, der als Schah erscheint
während ihn der Liebende als Derwisch anspricht.
3 Mahommeds
Wort über den Wein.
4 Der
Wein ist ein Alchymiker, der Bettler so reich macht wie
den ägyptischen König Karun, der unermeßliche
Schätze besaß.
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