Aus: Der Buchstabe Ta
XXXVII. (37)
Klage, klage Bülbül, wenn du mein Freund bist,
Wir sind beide verliebt, die Klage ziemt uns.
Wo die Locke des Freundes Geruch aushauchet,
Was hat dorten zu thun die Moschusblase? 1
Bringet, bringet mir Wein, mein Kleid zu färben,
Denn ich taumle von Stolz und heiße weise.
Unerfahrenen ziemt die Lust des Haar's nicht, 2
Die Durchtriebenen schlägt der Vogt in Ketten.
Ein verborgenes Ding erregt die Liebe,
Weder Lippen noch Flaum sind dieses Etwas.
Nicht die schöne Gestalt, nicht Maal und Wangen,
Tausend Dingerchen sinds im Herzensraube.
Nicht ein Körnlein verwirft der wahre Weise
Um den Atlas des Manns, der tugendleer ist. 3
Freylich ist es nicht leicht zu dir zu kommen,
Schwer ists steigen hinauf zum Freudenhimmel.
Ihren Wonnegenuß fand ich im Schlafe,
O des seligen Schlafs, ich neid' ihn wachend.
Sieh das Ende der Qual ist angelanget,
Doch ich fürchte das End' ist Kälteanfang.
Reiz mit Klagen Hafis! das Herz nicht, schweige,
Denn das ewige Glück hat, wer nicht klaget.
1 Es ist überflüssig, sich mit
Wohlgerüchen zu durchdüften, wo das Haar des Geliebten
Wohlgeruch duftet.
2 Unschuldige
und die eines einfältigen Geistes sind, sollen sich den
Locken nicht nahen, denn nur Schelmen und Betrüger legt
man in Banden.
3 Das
atlas'ne Kleid des Kalenders; um dem Kostüme getreu zu
bleiben, sollten also auch die Kleider unserer Redouten
Kalendere von Atlas seyn.
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