Aus: Der Buchstabe Ja
LXIX. (69)
Schenke betrunken vom Glase der Liebe
Reiche den Wein!
Fülle den Becher, denn traurig ist ohne
Wein das Gelag.
Sieh'! wie der Mond sind die Wangen des Liebsten
Schleier verhüllt;
Spiele mir Sänger eins auf, und du Schenke
Reiche den Wein!
In der Erwartung von deinem Gesichte
Schwindet der Tag,
Und die Gebilde des Traums sind von deinem
Hochgenuß voll.
Ach! ich bin trunken von jenen zwei Augen,
Wo ist das Glas?
Ach! und ich kränkle ob jenen Rubinen,
Wo ist der Schlaf?
Lege den Ring des gebogenen Körpers
Dir um den Hals,
Keine Erlösung sonst seh' ich von diesem
Bitteren Schmerz.
Sag' mir, Hafis, wie du magst dem Geliebten
Weihen das Herz.
Ward je ein Durst'ger in Wüsten vom Schein des
Wassers gelabt.1
1 Der Wasserschein oder
Wasserspiegelung: mirage de sable, ein Phänomen der
Wüste, wo durch die Strahlenbrechung der heiße Qualm
oft wie ein entfernter See erscheinet. Die Pferde, welche
dasselbe für wahres Wasser halten, rennen dann
gemeiniglich mit verdoppelter Schnelle auf das
Scheinwasser zu, das immer fliehet.
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