Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ta

XXIV. (24)

Die rothe Rose blühet auf,
Die Nachtigall ist trunken,
Nun laßt dem Trinken freyen Lauf,
Ihr Weinverehrer!

Der Bau der Reu', er schien so fest,
Als wär' er ganz von Steine,
O seht, wie das kristallne Glas
Ihn schon zerschlagen.

Er bringet Wein, denn vor dem Thron
Der unsern Wunsch erhöret,
Gilt Weiser gleich, und Trunkenbold
Und Fürst und Wächter.

Da ich einmal verlassen muß
Dies Gasthaus mit zwey Pforten,
So gilt es gleich, mein Lebenslauf
Sey hoch, sey niedrig. 1

Es ist nicht möglich ohne Gram
Und ohne Leid zu leben,
Denn an dem Tag des Looses ward
Uns Leid beschieden.

Um Seyn und Nichtseyn sorg' dich nicht,
Sey immer frohen Herzens,
Das Ende jeder Treflichkeit
Ist die Vernichtung.

Die Pracht, Aßaff, der Ostwindgaul,
Der Vögelsprache Kunde, 2
Ist alles in den Wind zerstiebt,
Und nützte nichts dem Herrn.

Du schwing' dich vom geraden Weg
Nicht in die Luft mit Flügeln,
Der Pfeil fliegt in die Höh', und fällt
Alsdann zur Erde.

Wie kann die Zunge deines Kiels
Dafür Hafisen danken,
Daß deine Worte stets von Mund
Zu Munde fliegen.

 

1 Das Gasthaus mit zwey Pforten ist die Welt mit dem Ein- und Ausgang des Lebens und des Todes; ein wahres Karawanseri.

2 Salomon hatte den Prachtliebenden Aßaff zum Wesir, der Ostwind diente ihm als Pferd, er verstand der Vögel Sprache; doch nutzte ihm Alles das nichts.


zurück