Aus: Der Buchstabe Ta
XXXVIII. (38)
Du frommer
Mann, verlästre nicht die Trinker,
Man schreibt die fremden Sünden nicht auf dich.
Ich sey nun böse oder gut. Sey ruhig,
Ein jeder erntet ein, was er gesät.
Auf Gottes Gnade laß mich nicht verzweifeln,
Was weißt du, wer verdammt, wer selig wird?
Es liebt den Freund, der Nüchterne und Trunkne,
Moscheen und Kirchen sind der Liebe Haus.
Nicht ich allein fiel aus der Reinheits Zelle,
Mein Vater schon verlor das Paradies.
Den Kopf hab' ich der Schenke übergeben,
Versteht's der Neider nicht, sag': neig' den Kopf.
Schön ist das Paradies! Doch du genieße
Der Weide Schatten, und den Rain der Flur.
Verlaß dich nicht auf fromme Thaten, weißt du,
Was dir des Buches Feder einstens schrieb.
Am Todestag Hafis! Das Glas zum Munde
Dann fahrest
du vom Mund zum Himmel auf.
Ist deine Neigung dies, o schöne Neigung!
Ist dieses dein Gebrauch, o guter Brauch!
Diese Ode ist eine Apologie wider die
Beschuldigungen von Irreligion und Ketzerey, wozu Hafisens freye
Lebensart häufigen Stoff gab. Der Geist der Duldung und Nachsicht wird
empfohlen. Jeder gehe seinen Weg, ohne sich um den andern zu bekümmern,
sagt der Dichter; ich kann nicht anders handeln, als ich handle, von
Ewigkeit her war so meine Bestimmung.
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