Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ta

XXXIX. (39)

Jetzt da edenischer Hauch
Vom Garten wehet,
Trennet mich nichts von dem Wein,
Von Himmelsmädchen.

Sollen die Bettler denn nicht
Mit Herrschaft prahlen,
Ist nicht der Himmel ihr Zelt,
Die Flur ihr Tanzsaal?

Jetzo erzählet die Flur,
Des Mays Geschichten,
Wer sich mit Geld jetzt befängt,
Der ist nicht weise.

Frische dein Herz auf mit Wein!
Die Erd' ist nur ein
Bau, zu dem unser Gebein
Den Mörtel her giebt. 1

Suche beim Freunde nicht Treu
Sie ist erstorben,
Heiliges Feuer kömmt nicht
Aus Kirchenlampen. 2

Du verschwärze mich nicht
Ob meinem Rausche.
Wem ist bekannt, was das Loos
Schrieb auf die Stirne?

Wende die Schritte nicht ab
Vom Grab Hafisens;
Wenn gleich in Sünden versenkt,
Harrt er des Himmels. 3

 

1 Wir sind Erde, aus dieser Erde brennt das Schicksal Kalk, um den Ruin der immer alternden und immer sich verjüngenden Natur aufzubauen. Mache diesen Mörtel also mit Wein an.

2 Es wäre gerade so, meint Hafis, als wenn ein frommer Moslim das Licht seiner himmlischen Eingebungen aus einer christlichen Kirche hohlen wollte.

3 Dies ist der Vers, der nach Hafisens Tod ihm die anfangs verweigerte Ehre des Begräbnisses verschaffte.


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