Aus: Der Buchstabe Dal
XXX. (30)
Der
Mondgesichter Liebe ist
Die Straße, die mein Herz ergreift,
Ich gab ihm fleißig meinen Rath,
Doch seh' ich, daß er's nicht begreift.
O Prediger! o sag' bei Gott!
Ein Wort von meines Schenken Flaum,
Indem die Fantasie kein Bild
Mit Feuersinn wie dies ergreift.
Ich trag' die Flasche unterm Arm,
Die Leute haltens für ein Buch,
Ein wahres Wunder, wenn das Buch
Des Trugs das Feuer nicht ergreift.
Ich will zuletzt doch eines Tags
Verkaufen dieses bunte Kleid;
Indem der Wirth dafür ein Glas
Voll Weines aus dem Keller greift.
Ich seh', daß dieser Trunkenbold,
Der immer spricht von gutem Rath,
Auf Gottes ew'gen Rathschluß zürnt,
Wer weiß, ob er um's Glas wohl greift.
Wer reines Herzens ist, genießt
Am rothem Weine so viel Lust,
Weil diesen rothen Edelstein
Nur der gerade Sinn ergreift.
Ich weine und ich lach' zugleich,
Wie es der Kerzen Sitte ist, 1
Und meine Zunge ist von Gluth,
Doch zweifl' ich, ob sie was ergreift.
Das schöne Haupt! das schöne Aug'!
Du sagest, thu' darauf Verzicht,
Doch diese Predigt ohne Sinn,
Ist's nicht, was mein Gefühl ergreift.
Ich hab' des Worts wahrhaftig Noth,
Doch von der Freundinn wird's entbehrt,
Allein was nützt der Zauberdunst,
Wenn er die Schöne nicht ergreift?
Was für ein wahrer Jäger bist
Du trunknes Aug', ich opfre dir
Mein Herz, indem kein Jäger sonst
Als du, den wilden Vogel greift.
Erbarme dich, o Gütiger!
Erbarme dich, denn der Derwisch
Kennt nur dein Haus, kennt keinen Weg,
Wenn er den deinen nicht ergreift.
Vom alten Wirth der Schenke hab'
Ich viel erfahren, Gutes viel,
Ich weiß, daß er die Gleißnerei
Nicht für ein Glas voll Weins ergreift.
Ich will einst Alexandern gleich 2
Den Spiegel nehmen in die Hand,
Es sey nun, daß mich seine Gluth
Ergreifet, oder nicht ergreift.
Da du so lieblich singst Hafis,
So wundert es
mich sehr fürwahr,
Daß dich dein König nicht mit Gold
Und Schätzen um und um ergreift.
1 Die Kerze lacht durch den Schimmer des
Lichtes, sie weint durch die heißen Tropfen, welche durch die Flamme
geschmolzen herabrinnen.
2 Der Spiegel Alexanders ist nicht
weniger berühmt als das Glas Dschemschids, und soll mit demselben
dieselbe Eigenschaft gemein haben, dem Hineinschauenden die ganze Welt
in nuce zu zeigen. Die Sage des Glases scheint aus dem Opferbecher der
Perser, und die des Spiegels aus dem Brennspiegel, der sich auf der
Spitze des alexandrinischen Pharus befunden haben soll, entstanden zu
seyn.
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