Aus: Der Buchstabe Schin
XIII. (13)
Bittern Wein
verlang' ich, dessen
Stärke selbst die Männer umwirft,
Daß ich von den Erdenplagen
Doch ein wenig ruhen möge.
Bringe Wein! wer könnte sicher
Bleiben vor des Himmels Raubsucht,
Wenn dort Sohre Lauten schlaget,
Und Merih die Waffen traget. 1
Auf der Tafel dieser Erde
Giebt es keinen Ruhehonig,
Herz, gieb auf die lockern Wünsche,
Bitters sey dir gleich und Süßes.
Zieh' das Jägernetz Behram's ein,
Heb' empor das Glas Dschemschidens.
Ich durchlief das Feld, entdeckte
Nicht Behram und nicht sein Grabmal. 2
Auf Derwische niederblicken,
Ist der Größe nicht zuwider;
Salomon mit seiner Größe
Blickte auf die Ameis nieder. 3
Komm' daß ich in reinem Weine
Dir der Welt Geheimniß zeige,
Doch mit der Bedingniß, daß du
Nicht dein Herz den Schiefen zeigest.
Meine flüßigen Rubinen
Will ich aus Smaragden trinken, 4
Denn die Mönche sind wie Schlangen,
Ich will sie damit verblenden.
Des Geliebten Brauenbogen
Wird sich von Hafis nicht wenden, 5
Ja er nahet sich und lächelt
Seines Armen ohne Kräfte.
1 Wie ists möglich, hienieden ruhig zu
seyn, wenn Sohre, d.i. Venus, beständig mit ihrer Laute lärmet,
und Mars mit seinen Waffen klirret, wenn Liebe und Krieg das Leben der
Sterblichen unter sich theilen.
2 Behram, ein persischer Fürst
aus der Dynastie der Sassanaden. Ein berühmter Jäger, wie Nimrod.
Sein ganzer Name ist Behramgur, der dann hier zum Wortspiel mit
Gur, Grab, Anlaß giebt.
3 Salomon verschmähte nicht das
Geschenk, das ihm die Ameise dargebracht hatte.
4 Nach der Sage, daß die Smaragden zum
Fangen der Schlangen dienen, welche vor dem Glanze derselben erblinden
sollen.
5 Er wendet zwar den Bogen seiner Brauen
von mir nicht ab, ich aber habe keine Kraft, dieselben anzuschauen.
|