Aus: Der Buchstabe Mim
XV. (15)
Morgens legten
vor mir die Zwillinge nieder das Währhäng, 1
Ha! ich schwöre, ich bin wahrlich der Diener des Schahs.
Komm' o Schenke komm! mit der Hilfe des wirkenden Glückes
Sey der heiße Wunsch mir von dem Herrn gewährt!
Reich' mir das Glas, aus Freude des Schahes Antlitz zu sehen,
Wird mein greises Haupt wieder von neuem verjüngt.
Höre mir auf zu beschreiben die Lebensquelle von Chiser, 2
Aus den Hefen des Schahs trink' ich die Quelle Kewßer. 3
Schah! und wenn ich den Thron der Tugend zum Himmel erhöbe
Blieb' an deiner Thür' immer ein Bettler ich noch.
Wenn Du aber dem Wort des Dieners Dich weigerst zu glauben,
Bringe ich von Kemal Probe und Sicherheit Dir. 4
Tausend Jahre hindurch war ich dein Bechergenoße,
Kann vom Gnadenort ich mich entfernen vielleicht.
Gieß' ich mein Herz von Dir, und sollt' ich die Liebe dir rauben,
Wen beschenkt ich wohl? Welchem vergäb' ich mein Herz?
Ich bin von Ewigkeit her bestimmt zur Liebe des Schahes, 5
Wenn ich gleich hiedurch manchmal die Straße verlier'.
Ben Mohammed Manßur der Sieger ist mein Beschützer 6
Seines Namens Kraft richtet die Feinde zu Grund. 7
Sieh' sein Namen ist mit Plejaden an Himmel geschrieben,
Wer besiegt mich im Lied? soll ich die Perlen nicht reihn?
Hab' ich Falken gleich aus der Hand des Schahes gegessen,
Hat denn Rauben, und Jagd einigen Reiz noch für mich?
Schah! der Löwen ergreift! Sag' an, was hast du verloren,
Deines Schattens Glück gönne uns Frieden und Ruh.
Ohne Federn und Flügel bin ich, daher ist's zu wundern,
Daß ich zum Simorg mich zu erschwingen befleiß'. 8
Hundert Herzen erobert durch dich die Kraft des Gesanges,
Gleichsam als gliche mein Wort deinem erobernden Schwerdt.
Wenn ich vorübergeh' am Rosenbeet wie der Ostwind,
Reizet mich die Cypreß, reiz't mich die Pinie nicht.
Deinen Geruch vernahm ich im Feld, und auf deine Gesundheit
Reichten die Schenken der Lust einen zwey Becher mir her.
Meine Sache ist's nicht, nur ein zwey Tropfen zu trinken,
Denn in Schenken ward ich ein erfahrener Greis.
Immer zank' ich mit dem Lauf des Himmels, der Sterne,
Der gerechte Schah möge entscheiden den Streit.
Gott sey Dank, daß sogar am äußersten Giebel des Himmels,
Gabriel an dem Thron meine Gesänge vernimmt.
Wüthend stürzte auf mich, um mich zu zerreißen der Löwe,
Mager oder fett bin ich die Beute des Schahs.
Aus dem Buche der Liebenden sey mein Name vertilget,
Wenn für Andere einst, Liebe die Brust mir entflammt.
Mehr sind verliebet in dich als Stäubchen im Sonnenschein fliegen,
Ich ein Sonnenstaub, o! wann gelang' ich zu dir.
Zeige mir an, wer hat je deine Schönheit geläugnet,
Daß aus Eifersucht ich ihm das Auge zerhau'.
Siehe auf mich ist der Schatten der Sonne des Glückes gefallen,
Nun bedarf ich des Scheins anderer Sonnen nicht mehr.
Keineswegs ist mein Sinn mit diesen Worten zu handeln,
Ich verkaufe und kauf' solche Liebkosungen nicht.
Immer liebet Hafis mit vollem Herzen den Propheten,
Seine Familie giebt wahrlich das Zeugniß hievon.
1 Die Zwillinge, die
Konstellation des Thierkreises, die auf den arabischen Himmelsgloben mit
einer Art von Wehrgehäng en baudrier abgebildet werden; sie legten
dasselbe vor dem Dichter nieder, aus Ehrfurcht, weil er ein Diener des
Sultans ist. Sudi führt bei dieser Gelegenheit das folgende Bruchstück
eines Gedichtes an, das an Klopstock erhabenes die Gestirne
erinnert:
Sieh! im Osten erhoben das Haupt die Gestirne vom Thierkreis,
Lobzusingen dem Herrn! Ihm dem unendlichen Gott!
Widder und Stier samt Zwillingen; Krebs,
Löw, Jungfrau und Waage, Skorpion, Schütz,
Steinbock, Eimer (sonst Wassermann), Fisch.
3 Kewßer, der Quell' des
Paradieses.
4 Wenn dir meine Lobeserhebungen zu
gering dünken, so stimme ich dir ein Lied des Kemal Ismail
aus Isfahan, eines berühmten persischen Dichters an.
5 Hier kommt abermal das bisher in
Wörterbüchern unerklärte Elest vor, auf das schon vorhergehende
Noten, ein paarmal aufmerksam gemacht haben.
6 Der Name des Sohnes des Schah Mansur
aus der Familie Mosaffer.
7 Ist mein Talisman. D.i. Kraft dieses
erhabenen Namens besieg' ich meine Feinde.
8 Simorg oder Anka, der Vogel der seit
Erschaffung der Welt auf dem höchsten Gipfel des Berges Kaf einsam
nistet.
Diese Kasside oder Elegie ist eine Verweigerung auf den Ruf des Sohnes
Schah Mansurs, der Hafisen zu sich geladen hatte; um die abschlägige
Antwort zu versüßen, stimmt der Dichter das höchste Lob seines Gönners
an.
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