Aus: Der Buchstabe Mim
XXIV. (24)
Steh' auf! man
öffne die Schenkenthür,
Wir wollen es begehren.
Wir wollen sitzen am Weg des Freunds
Und unsern Wunsch begehren.
Der Vorrath mangelt uns auf dem Weg,
Der zu dem Freunde führet,
Wir wollen bettelnd am Schenkenthor
Den Vorrath uns begehren.
Es fließen blutige Thränen zwar
Aus meinen Augen immer,
Allein gereiniget sey der Both 1
Den wir für ihn begehren.
Nie soll mein Herz den Geschmack des Maals
Von deinem Grame kosten, 2
Wenn ich im Fieber der Lieb' vielleicht
Ein Mittel soll begehren.
Um auf das Blatt des Gesichts den Punkt
Von deinem Maal zu mahlen,
Muß man die Schwärze vom Dintenschwarz
Des Aug's dazu begehren.
Das Herz verlangte für Seelenpreis
Liebkosung von den Lippen,
Doch lächelnd sagten die Lippen ihm:
Das heißt zu viel begehren.
Um einen Balsam für's wunde Herz
Nach Regeln zu bereiten. 3
Geschieht es, daß wir vom Schwarz des Barts
Für uns etwas begehren.
Weil mir im fröhlichen Sinn dein Schmerz
Sich pfleget einzunisten,
So wollen wir mit des Schmerzes Wunsch
Nur frohen Sinn begehren. 4
Wie lange sitzest du noch Hafis
Hier an der Thür der Schenke,
Steh' auf! man öffne das Schenkenthor
Wir wollen es begehren.
1 Ich habe nun blutige Thränen geweint,
aber solche ziemen sich nicht als Bothen des Schmerzens vor dem Freunde
erscheinen zu lassen. Die Bothen meines Schmerzens müßen rein, das ist
klare Thränen seyn.
2 Sollte ich auch im Liebesfieber um
Arznei bitten, so gieb mir eher Alles zu kosten, als die schwarzen
Pillen deines Grams.
3 Hafis versinnlichet die schwarze Farbe
der Augen, des Maals, und Bartes des Geliebten, indem er sich dabei
schwarze Pillen, schwarze Dinte, schwarzen Balsam denkt.
4 Meinen frohsten Augenblicken gesellt
sich die Empfindung der Leiden der Liebe bei, wenn ich also frohe
Augenblicke wünsche, so geschieht es nur um auch des Liebesschmerzes
gewiß zu seyn.
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