Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ta

LVIII. (58)

Morgens sprach der Vogel der Flur zur entknospeten Rose, 1
Hör' auf, spröde zu thun, viel sind der Rosen wie du.

Lächelnd sprach die Rose hierauf, du redest die Wahrheit,
Aber ein hartes Wort ziemet den Liebenden nicht.

Wer mit den Wangen nie den Staub der Schenke gekehrt hat,
Athmet ewig nicht ein Freundschafts- und Liebesgeruch.

Eh' du zum Rubin des goldnen Bechers gelangest, 2
Werden von Wimpern gar viel Perlen der Thränen gebohrt.

Gestern im Blumenbeet beim lieblich wehenden Ostwind
War des Hyacinths Haar lieblich vom Winde verwirrt.

Thron Dschemschid's; so sprach ich zum Garten, wo ist das Weltglas?
Leider! sprach er zu mir: dieses Geschenk ist vorbei.

Was den Zungen entströmt, das ist nicht Rede der Liebe,
Schenke, bring' uns Wein, kürze das leere Geschwätz.

Sieh! Hafisens Vernunft geht unter in Fluten der Thränen,
Was ist zu thun? Der Gram Liebender birget sich nicht.

1 Der Vogel der Flur, die Nachtigall.

2 Eh' du trinken darfst, mußt du vieles weinen; die Thränen sind die Perlen, die, weil sie an den Spitzen der Wimpern hangen, als angebohrt von denselben erscheinen.



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