Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe He

IX. (9)

Früh nach durchtrunkener Nacht
Nahm ich die Leyer, das Plektron, den Becher,
Zäumte das Roß der Vernunft,
Trieb es mit Spornen zur Stadt der Betrunknen.

Siehe mir schmeichelt der Wirth,
Daß ich des Schicksals Verblendung nicht fürchte,
Du des Geredepfeils Ziel!
Sagte der Schenke mit Bogen wie Brau'n.

Wenig gedeihet es dir,
Wenn du mich auch wie ein Gürtel umschlingst.
Anderen stelle das Netz,
Ueber die Netze erhaben ist Anka. 1

Schenk' und Vertrauter ist Eins,
Jeglicher Unterschied ist nur ein Vorwand,
Reich' uns den Nachen der Sohre, 2
Daß wir aus diesem Gewässer uns retten.

Ha! wie genöße des Schahes
Wer in sich selber beständig verliebt ist?
Alles ist Räthsel, Hafis,
Uns es erklären ist leeres Geplauder.

 

1 Anka, der weise Greis, der Vogel einzig in seiner Art, der schon vor Adam die Erde bewohnte, und seit Salomon an dessen Hof er Wesir und Repräsentant des Vögelvolks war, in der Einöde des Berges Kaf wohnt. Seine alles durchspähende Weisheit ist weit über die kleinen Künste und Listen der Vogelsteller erhaben, nie hat sich sein Fuß in Netze verstricket.

2 Sohre der Morgen- und Abendstern. Die Vorstellung der Gestirne als Nachen, die auf den Fluthen der Nacht hersteuern, ist eine altägyptische.


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