Aus: Der Buchstabe Ta
LXI. (61)
In deinem Locken-Netz hat sich mein Herz verstricket,
Durchbohr's mit einem Blick, es hat es wohl verdienet.
Wenn meines Herzens Wunsch von deinen Händen kommet,
Sey schnell, es ist das Gute hier an seinem Orte.
An deiner Seite schwör' ich es, mein süßer Abgott,
Wie Kerzen will ich mich des Nachts für dich verbrennen.
Als du auf Liebe sannst, Bülbül hab' ich
gesprochen:
Thu's nicht, denn selbstisch sorgt die Rose ihretwegen. 1
Der Moschus Sina's braucht nicht erst des Rosenduftes, 2
Die Blase nimmt den Wohlgeruch vom eignen Kleide.
Geh' nicht in den Pallast empfindungsloser Herren,
Der Schatz des Heiles liegt zu deinen eignen Füßen.
Verbrannt ist zwar Hafis, allein im Bund der Liebe
Hält er stets fest, was Treue sich bedinget.
1 Der durch das ganze Gasel
laufende Reim ist chuischten est, d.i. selbst ist,
durch dessen Beibehaltung das Deutsche hie und da
vollends unverständlich geworden wäre, theils wegen der
unnatürlichen Versetzung des Hülfszeitwortes, theils
wegen der verschiedenen Bedutung des persischen Chuischten,
das nicht allein selbst, sondern auch sein eigen
bedeutet, und hier bald in einem bald in dem andern Sinne
genommen wird.
2 Moschus
aus Tschin und Thigil, d.i. aus Sina
und Tutistan bedarf des Rosenduftes nicht. Unter
diesem Moschus wird aber hier nicht der eigentliche
Moschus, sondern das Moschusduftende Haar schöner Knaben
aus Sina, und besonders aus der Stadt Thigil, die daher
berühmt ist, verstanden. Kaaba, das hier mit
Kleid übersetzt worden, ist ein persischer Kaftan von
vorne offen, und unter dem linken Arme aufgebunden, oder
vielmehr in dem Gürtel aufgeschlagen.
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