Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Elif

VIII. (8)

Nähme mein Herz in die Hand der schöne Knabe aus Schiras,
Gäb ich fürs Maal Samarkand und Buchara. 1

Reiche mir Schenke den Wein, im Himmel suchst du vergebens
Roknabad's Blumengestad, und Mosella's. 2

Wehe! die Schelmen mit schwarzem Aug und süsser Gebärde
Rauben dem Herz die Geduld, wie die Türken.

Unvollkommene Liebe bedarf nicht die Schönheit des Freundes,
Schöne Gesichter bedürfen nicht Schminke.

Bleibe beym Sänger, beim Glas, erforsch nicht verborgene Dinge
Keiner noch hat es gelöset, wird's lösen.

Jusufs berauschende Schönheit erklärt den Zauber der Liebe,
Welcher zerrissen den Flor bei Sulicha. 3

Höre den Rath, denn wiß': ein wohlerzogener Jüngling
Schätzt wie die Seele die Worte der Alten.

Böses hast du gesprochen. Verziehn! Wohl ward es gesprochen
Bitteres ziemet den zuckrichten Lippen.

Lieder hast du gesungen Hafis, und Perlen gebohret.
Werth, daß Pleiaden der Himmel verstreue. 4

1 Die Freigebigkeit des Dichters, mit welcher er die beyden Städte Samarkand und Buchara verschenken will, hätte ihm übel bekommen können. Denn seine Feinde hatten den Vers benützt, ihn bei Timur zu verschwärzen, daß er die zwei herrlichsten Städte seines Reichs so gar gering achte, und zum Preis eines Schönheitsmaales herabwürdige. Timur stellte Hafisen hierüber auch wirklich zur Rede, der sich durch Geistesgegenwart und durch eine unmerkliche Veränderung des Verses sehr ehrenvoll aus der Schlinge zog. Der Vers heißt im Persischen:
Bachschem Samarkand u Buchara.
Geben wollt' ich Samarkand und Buchara.
Ists wahr? fragte Timur, indem er den Vers wiederhohlte, daß du dich unterstanden, meine herrlichsten Städte so zu lästern?
Verzeihe Schah, antwortete der Dichter, man hat dich falsch berichtet: der Vers heißt:
Bachschem du ser kandi buchara
Geben wollt' ich zwey Zuckerbrode von Buchara.
Timur zufrieden mit der Rechtfertigung, belohnte den guten Einfall.

2 Roknabad ein Spaziergang vom Fürsten Rokneddin, längs den Ufern eines kleinen Flusses bey Schiras angelegt. Mosella ein öffentlicher Gebetort in dem Rosenhaine von Schiras, wo Hafis auch begraben liegt. Im Paradies, meint Hafis, wirst du weder das eine noch das andere finden.

3 Sulicha oder Suleicha, Potifars Gemahlin in den orientalischen Romanen, die in des ägyptischen Josephs Geschichte nichts als die unwiderstehbare Macht der Schönheit des Mannes aufs Herz des Weibes darzustellen suchen.

4 Hier vergleicht Hafis seine Verse mit Perlen, die er durchbohret, um sie an goldnen Schnur des Liedes anzureihen, auch die Pleiaden sind Perlen, Perlen des Himmels, aber höchstens gut genug um auf die Perlen des Liedes ausgestreut zu werden.


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