Aus: Der Buchstabe Ta
LXXII. (72)
Der Türke mit dem Feengesicht 1
Der gestern von uns weggegangen,
Welch' einen Fehler hat er gesehn, 2
Daß er nach Chata fehlgegangen?
Seit dieses weltensehende Aug'
Von meinem Blicke sich entfernte,
Weiß Keiner, was vor meinem Gesicht
Für Bilder sind vorbeigegangen.
Der Rauch, der von den Gluthen der Brust
Am Abend gestern aufgestiegen,
Ist über den entzündeten Rauch
Der Kerze weit hinausgegangen.
Entfernet von des Freundes Gesicht
Vergießt die Quelle meines Auges,
Von Zeit zu Zeit den reißenden Strom,
Davon die Sündfluth ausgegangen.
Als mich der Krampf der Trennung befiel,
Sank auf der Stelle ich zusammen,
Zurückgeblieben bin ich mit Schmerz,
Nachdem der Arzt davon gegangen.
Es sprach mein Herz: zu seinem Genuß
Kann man wohl durch Gebet gelangen.
Seitdem ist meines Lebens Genuß
In Nichts, als im Gebet vergangen.
Als mich der Leibarzt gestern besucht',
Sprach er zu mir bedaurungsweise,
Dein Uebel ist, o Schade für dich!
Die Heilung längst vorbeigegangen.
O gehe zu Hafisens Besuch,
Erkund'ge dich nach seinem Wohlseyn,
Noch eher als die Kunde dir kommt,
Er sey aus dieser Welt gegangen.
1 Peris, die weiblichen
Genien der morgenländische Fabelwelt die durch die
Faires zu uns als Feen herüber gekommen sind, und
vielleicht gar mit den Pieriden, verwandt seyn dürfen,
wie die Huri's mit den Charitinnen. Die vielfache
Zahl mit dem s ist eine den Deutschen
ungewöhnliche; indessen scheint uns, daß die Peris
besser klingen als die Perien, so wie die Huris
besser als die Hurien, zumahl da die letzten in
Gefahr laufen, nach der Analogie der Furien (ihrer
Gegenfüßlerinnen) ausgesprochen zu werden. Jene sind
die Nymphen des Paradieses, und diese der Hölle, die
weiter nichts gemein haben, als die ewige und
unverwüstbare Jungfräulichkeit.
2 Welche
Schuld hat er an mir gefunden, daß er sogleich nach Chata
seinem Vaterlande (dem Vaterlande der Schönen)
zurückgegangen ist? Das Wortspiel zwischen Chata Chataja
und Chata, ein Fehler, ist einigermaßen
mit dem fehlgehen ausgedrückt.
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