Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ta

LXXXVIII. (88)

Traurig ist mein Herz über die Welt und was darinn ist,
Denn in meinem Sinn wohnet mein Freund, und sonsten Keiner,

Wenn vom Rosenbeet' deines Genusses Duft mir wehet,
Kann mein Herz sich nicht halten vor Lust, wie Rosenknospen,

Wenn ich armer Thor rathen dir sollt', im Weg der Liebe,
Hieße dieses ja leeres Geschwätz, mit Thoren halten.

Frommen sage du, sitzet allein, und schmäl't mit nichten,
Weil ich zum Altar habe gewählt des Freundes Brauen.

Götzentempel und Kaaba ganz von gleichem Werthe, 1
Gegen welchen Ort gewendet du bist, Er ist zugegen.

Bart und Haar und Brau'n machen noch nicht den Kalender aus, 2
Denn des Kalender's Rechnung sey treu bei einem Haare.

Leichtes Ding ist's, sich über ein Haar hinauszusetzen,
Doch Kalendere sind, die, wie Hafis, den Kopf aussetzen. 3

1 Wohin ich mich immer wenden mag, gegen Mekka oder gegen einen Götzentempel, überall erscheint mir das Bild des Geliebten.

2 Die Kalendere sind wenigstens dem Namen nach durch unsere Redoutenmasken sehr wohl bekannt; eine Art von Derwischen. Nicht der lange Bart und die großen Brauen machen den Kalender aus, sondern ein reiner tadelloser Wandel; die Rechnung seines Thuns und Lassens muß bei einem Haare richtig seyn, so daß kein Fehler statt findet.

3 Sich über ein Haar (des Geliebten) hinauszusetzen, ist eben kein so großes Tugendbestreben; ein wahrer Kalender muß, wie Hafis, nicht auf ein Haar, sondern auf seinen ganzen Kopf gerne Verzicht thun.



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